Hier gibt es immer wieder kleine Geschichten, Erzählungen, Eindrücke....

Während ich Richtung Hornisgrinde fahre, geniesse ich die friedliche Stimmung. Kaum Autos, kaum Menschen, es ist der erste Tag des neuen Jahres. Samu liegt im Fußraum vor dem Beifahrersitz. Er fährt einfach vertrauensvoll mit, ohne einschätzen zu können was kommt, vertraut seinem Herrn. Der Blick über die Höhen und ins Rheintal ist klar, leichter Dunst beeinträchtigt die Fernsicht.

Die kleine Kapelle am Mummelsee, Frühsonne scheint durch die Buntglasfenster. Du bist ein Gott der mich sieht, dieser kurze biblische Satz steht über diesem Jahr 2023. Ein neues Jahr ist wie ein unbeschriebenes Tagebuch.
Vieles was dieses Jahr sein wird, liegt an mir selbst. Wie gehe ich mit mir um, wie mit meinen Nächsten, meiner Frau, der Familie, dem weiteren Umfeld? Wie fürsorglich gehe ich mit meinen guten Ideen und Wünschen, meinen Träumen, den zukunftsträchtigen Perspektiven um.
Vieles was dieses Jahr sein wird, liegt in weiter Ferne, und wird überraschend sein. Auch in diesem Jahr werde ich von der Gnade Gottes und seinem Segen leben.
Hier oben werden gute Gedanken gestärkt.

Das neue Jahr ist unbeschrieben. Dieser unberührte Morgen, enthoben dem Alltag auf über 1000 m Höhe, der höchsten Anhöhe im Nordschwarzwald, stärkt diese Perspektive. Der Liebesbaum am Mummelsee erzählt viele Geschichten. Manches Schloß das für LIebe, Treue, Zukunft stand, ist verrostet. Wie viele der Paare für die die Schlösser stehen, sind wohl noch glücklich zusammen? Ja auch dieser erste Tag des Jahres ist nicht unberührt, auch er trägt Altlasten mit sich. Nachdenklich gehe ich weiter, durchaus auch mit eigenen Geschichten und Altlasten im Gepäck.

Der Blick nach oben zeigt etwas von der Geschichte des Gebiets. Im Jahr 1938 wurde der gesamte südliche Bereich der Gipfelebene zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Ab 1942 von der Luftwaffe als Flugabwehrstellung genutzt, übernahmen 1945 die französischen Luftstreitkräfte den Standort. Diese betrieben auf der Hornisgrinde eine Abhörstation im Auftrag des französischen Auslandsgeheimdienstes SDECE bzw. DGSE. Später wurde der Standort parallel auch von der Bundeswehr und der Nato genutzt. Nachdem die Anlage 1994 außer Betrieb ging und dann mehrere Jahre lang brachlag, wurde das Sperrgebiet 1997 freigegeben. 1999 übernahmen die Anrainergemeinden das bisher bundeseigene Gelände. Einige der Gebäude und Masten sind bis heute erhalten, verfallen aber zusehends.

Das Gebiet der Hornisgrinde, das Hochmoor, erzählt von bitteren Kriegszeiten, steht jedoch auch für eine mögliche Neuausrichtung und ist heute Anziehungspunkt für Naturliebhaber und Ausflügler. Die Hornisgrinde steht auch dafür wie Menschen im guten Sinne Zukunft gestalten.

Samu und ich gehen die Südwestroute hoch zum Hochmoor. Kaum jemand ist an diesem Morgen unterwegs. Wir sind im Nationalparkgebiet, Blick ins Rheintal, Richtung Vogesen. Der weite Blick tut gut, immer wieder bleibe ich stehen, die Blicke Richtung Horizont gerichtet.

Die Pflanzenwelt ist hier oben Besonders. Insgesamt hohe Regenmengen, stürmisches Wetter, im Winter hat es meist massiv viel Schnee. Man sieht vielen Pflanzen und Bäumen das Ringen mit den Jahreszeiten an, gebrochene Äste und Stämme, Verletzungen, Verwundungen. Das macht aus den Bäumen umso mehr Originale, die mit den Bedingungen leben und sich anpassen. Unwillkürlich gehen meine Gedanken zum menschlichen Leben. Auch wir tragen Wunden und Verletzungen mit uns, und doch wohnt uns auch eine erstaunliche Widerstandsfähigkeit, heute spricht man gerne von Resilienz, inne. Die Natur erzählt mir an der Stelle, dass das neue Jahr nicht unberührt ist, das Tagebuch ist einfach eine Seite weiter geblättert, die Vorgeschichte bleibt. Zukunft ist immer möglich, Zukunft ist da, so oder so. Zukunft muss die Vorgeschichte integrieren. Keine Zukunft ohne Herkunft.

Das neue Jahr wird Wegkreuzungen mit sich bringen. Gelingendes Leben ist die Summe guter Entscheidungen, so klingt in mir ein Zitat. Und doch weiß ich, dass auch krumme Wege dazugehören und weiter bringen können. Doch auf welche Ziele bin ich ausgerichtet, was strebe ich an, welche Grundorientierung verfolge ich. Wenn ich mich verirrt habe, ist es immer wieder gut, meinen inneren Kompass wieder zu kontaktieren und mich neu auszurichten.

Oben auf der Hochfläche angekommen, der Wind ist kräftig. Der Windpark auf gut 1150 m hier ist der älteste in Baden-Württemberg. Windenergie lebt vom Wind, ein Windrad ohne diese äussere Energiequelle bringt keine einzige Kilowattstunde Strom.
Ich stelle mich in den Wind und weiß und empfinde, als Mensch lebe ich nicht aus mir selber. Ich bin Teil der Schöpfung und lebe von dem, was mir an Lebensenergie zufliesst, in meinen Stärken und Schwächen. In meinem Erfolg und meinem Scheitern.
Du bist ein Gott der mich sieht und mir göttlichem Atem einhaucht. Danke.

Während ich mit Samu durchs Hochmoor schlendere, diese Jahrtausende alte Landschaft, empfinde ich, das Ganze hier ist grösser als ich, es ist älter als ich. Man nimmt hier Weite wahr und doch eben auch nur einen kleinen Ausschnitt des Nordschwarzwalds, ein kleines Fleckchen Natur auf diesem Planeten.

Weiter auf dem Bohlenweg. Konkrete Menschen haben sich eingesetzt, dass dieses ehemalige Militärgelände wieder als Kleinod erschlossen wurde. Die Umlandgemeinden haben das Gebiet 1999 aufgekauft und für die Renaturierung gesorgt. Beeindruckend, was Menschen bewegen können und zu was Menschen fähig sind, so oder so.

Der Mensch kann ja alles sein, er kann Figaros Hochzeit komponieren, die Sixtinische Kapelle erschaffen und das Penecillin erfinden. Oder er kann Kriege führen, vergewaltigen und morden. Es ist immer der gleiche Mensch, dieser strahlende, verzweifelte, geschundene Mensch. So die Erkenntnis von Ferdinand von Schirach.
Und wenn ich später am Tag die Nachrichten anschaue, erscheint mir diese Einschätzung durchaus stimmig.

Das neue Jahr, ein unbeschriebenes Blatt. Welche Linien werden wir schreiben, in unserer ureigenen Verantwortlichkeit. Man kann ja über alles reden und philosophieren. Was werden jedoch unsere eigenen Beiträge sein, unsere Lebensspuren?
Viktor E. Frankl drückt es so aus. Dass wir nach dem Sinn des Lebens eigentlich nicht fragen dürfen, da wir selbst es sind, die da befragt werden: Wir sind es die zu antworten haben auf die Fragen, die uns das Leben stellt. Und diese Lebensfragen können wir nur beantworten, indem wir unser Dasein selbst verantworten.

Mir kommt es so vor, als ob die Höhe, die Weite, das Alleinsein das Potential hat, mich an meine Grundlagen, meine Werte, meine Haltungen im guten Sinne zu erinnern. Im körperlichen Unterwegssein arbeitet es in Kopf und Herz.
Um den roten Faden und die inneren Linien des Lebens zu erkennen hilft es bisweilen den Standort zu wechseln, einen Perspektivwechsel zu vollziehen. Mal von oben drauf schauen, aus dem Abstand, oder auch mit den Augen eines anderen.

Das hat dann durchaus Einfluß auf die Grundstimmung, Einkehr und Nachsinnen kann zu Auskehr führen. Destruktive Haltungen, Stolz, Rechthaberei, Machbarkeitsglauben verlieren ihre Kraft, andere Perspetkiven werden freigesetzt, bekommen Kraft. Mein Lebenshaus auskehren von Haltungen und Verhaltensweisen die nicht hilfreich sind.

Während ich diese Gedanken und die Fotos, die ich im Hochmoor gemacht habe, wirken lasse und schreibe, stosse ich auf Sätze von Johannes Hartl, die ich mir mal notiert habe.
Nimm Dir doch die Zeit für eine Tasse Kaffee, schalte Dein Handy stumm und lass die Welt und alle Verantwortlichkeiten warten. Und dann mach Dir bewusst, dass Dein Sein ein Geschenk ist, dass Du ein Geschenk bist. Auch wenn es sich manchmal nicht so anfühlt und es nicht leicht ist das tief im Inneren zu glauben. Es ist die Wahrheit: Du bist ein Geschenk - zweckfrei aus Liebe geschaffen.

Mein Leben in dieser Neujahrswoche wieder neu verorten, dazu hilft das Unterwegs sein im Hochmoor. Dazu helfen auch Menschen die gute Gedanken und Einsichten niedergeschrieben haben. Einer dieser Menschen ist auch Dom Helder Camara, ein Bischof aus Brasilien, der mir als junger Mann in seinen Schriften begegnet ist.

Dran bleiben, auch in diesem Jahr. Die eigene Wirksamkeit und Freiheit nicht unterschätzen, mich ernst nehmen. Und auch die Begrenzungen und das Angewiesensein, Bedürftigkeit ernst nehmen.

Es ist eine göttliche Gnade, gut zu beginnen. Es ist eine größere Gnade, auf dem Weg zu bleiben und den Rhythmus nicht zu verlieren. Die Gnade aller Gnaden ist es aber, auch zerbrochen und erschöpft vorwärts zu gehen bis zum Ziel. Dom Helder Camara

Gedanken und Einsichten bahnen sich bisweilen überraschend ihren Weg. Häufig gerade dann, wenn ich nicht bewusst danach suche.
Tag der deutschen Einheit, Feuchtigkeit und Hochnebel liegt über dem Schwarzwälder Morgen. Samu bringt mich dazu, dennoch raus zu gehen.
Die Nachbarin kommt von der Hunderunde schon zurück, ich breche gerade auf. Kastanien hat sie gesammelt, oben bei grossen Kastanienbaum. Ich lege meine Runde so, dass ich dort auch vorbeikomme und picke 6 richtig grosse Kastanien auf. Später kommen Eicheln, Bucheckern und Sammen des Bergahorns dazu und füllen meine Jackentasche.

Beim Laufen denke ich, warum auch immer, an Diskussionen in denen es darum geht, ob es zu verantworten ist, in diesen Zeiten Kinder zu bekommen. Angeregt sind diese Gedanken wohl durch das Aufsammeln der Früchte bzw. eben die Samen der Pflanzen.

Meine Wahrnehmung ist wachgeküsst. Ich nehme den Herbst bewusster war. Die Pflanzen verfärben sich, Früchte und Samen fallen zu Boden. Tiere picken den Samen auf, verteilen ihn weiter. Die Schöpfungsgesetze werden mir bewusst, in ihrem Kreislauf des Jahres. Der eine oder andere Rosenbusch bringt noch mal einzelne Blüten hervor.

Bäume, Pflanzen leben ihren Rhythmus. Manche haben den trockenen Sommer nicht überstanden bzw. haben Schaden genommen. Jedoch das Grosse Ganze dreht sich weiter, lebensbejahend. Keine Pflanze, kein Baum verweigert sich sozusagen. Die Natur, die Schöpfung hat ein klares Ja zum Morgen, zu den gesetzten Kreisläufen.

Tag und Nacht, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang. Wir dürfen damit rechnen, dass diese Grundordnung mit Leben erfüllt bleibt. Während ich angeregt und inspiriert später durch den Garten schlendere, erfüllt mich dieser Gedanke. Auch dass ich als Mensch darin meinen Platz und meine Bestimmung habe.

Ich darf mit dem Winter rechnen, in dem alles in Schlaf und Starre verfällt. Und dann wird das Frühjahr kommen. Ich schaue die einzelnen Pflanzen und Bäume an, und weiß welches Leben sie entfalten werden.

Musse und Zwecklosigkeit tut immer wieder gut, heute damit sich kraftvolle, ermutigende, stärkende Gedanken und Haltungen ihren Weg bahnen können.
Ja es ist gut und wichtig, Teil des Lebendigen sein, ins Leben zu investieren. Ins Morgen und in die Zukunft.

Unsere beiden Oleander haben dieses Jahr zum ersten Mal geblüht, wahrscheinlich wegen des sonnigen Sommers. Auch dieser viel zu trockene Sommer hatte seine guten Aspekte.

Um den Baumstumpf herum nehme ich den kreisrunden Bewuchs war, die Pilze, die eine Symbiose mit dem Baum, den Wurzeln leben. Fazinierend und geheimnisvoll. Leben.
Etliche Pflanzen sind da, weil sie vor Jahren gepflanzt wurden, weil jemand in die Zukunft investiert hat. Auch dieser Amberbaum, der jedes Jahr herrlich gefärbte Blätter hat.

Was wäre Leben wenn wir nicht ins Leben investieren würden? Die grossen und kleinen Invests sind so wichtig. Die Natur hält mir das vor Augen. In dem Sinne sind wir alle wichtig und haben auch existentielle Verantwortung für unser Leben und unser Umfeld, unsere Beziehungen zu gestalten. Dabei geht es meist um kleine alltägliche Dinge, die gelebt werden dürfen und müssen.

Meine Gedanken und mein Empfinden verbinden den heutigen Tag, mein Erleben mit der letzten Woche. An diesem Tag der Einheit bin ich noch unter dem Eindruck der ökumenischen Vesperkirche Freudenstadt. 150-200 Gäste täglich, die ganze Woche über. Praktisches, gelebtes Engagement Vieler. Miteinander.Reden.Essen.Leben.... Solidarität.

Viele Dutzend Helfer, Kirchen und Organisationen die sich engagieren. Seit vielen Jahren. Es macht einen Unterschied, ob das lebt oder nicht. Es macht einen Unterschied ob die einzelnen Helfer mit anpacken oder sich zurückziehen.

Spender von Naturalien, täglich gut 15 Kuchen, Firmen und Privatleute, die Geld geben.

Ein starkes Zeichen. Auch die ökumenische Vesperkirche hat mehrmals im Jahr ihren Platz im Jahreskreislauf.
Vor Kurzem bei einem "Quartiersspaziergang" mit Partnern aus Diakonie und Kirche haben wir in Ausschnitten wahrgenommen, an wie vielen Stellen, wie viele Menschen und Organisationen ins Leben, ins Gemeinwohl, ineinander investieren. Ermutigung pur.

Niemand weiß was die Zukunft bringt. Ich entscheide mich für Zuversicht, Hoffnung und Optimismus, möchte ein lebensfördernder Mensch sein. Übrigens feiern wir heute Tag der deutschen Einheit, wer hätte vor 1989 gedacht, dass die damalige Zukunft diese Entwicklung bringen würde.

Optimismus ist in seinem Wesen keine Ansicht über die gegenwärtige Situation, sondern er ist eine Lebenskraft, eine Kraft der Hoffnung, wo andere resignieren, eine Kraft, den Kopf hochzuhalten, wenn alles fehlzuschlagen scheint, eine Kraft, Rückschläge zu ertragen, eine Kraft, die die Zukunft niemals dem Gegner läßt, sondern sie für sich in Anspruch nimmt.
Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.
Dietrich Bonhoeffer

Der Blick in den Rückspiegel sagt mir dasselbe wie der Blick nach vorn. Viel Verkehr ums Stuttgarter Kreuz. Das Brummeln des VW-Bus-Motors wird von SWR1 übertönt. Die Sprecherin nennt es Vorfeiertagsverkehr.
Volle Tage liegen hinter mir, ich freue mich auf zuhause. Zwei Tage habe ich eine Teamklausur moderiert. In der Vorbereitung war das Thema Kommunikation wesentlich, am Ende der Klausur sollte ein lebendiges konstruktives Miteinander des Teams stehen.
Am Tag 1 beim Brezelfrühstück herrschte noch spürbare Anspannung. Beim Abschlußkaffee war die Atmosphäre gelöst, überall wurde geredet, freundschaftliche Stimmung und Gesten.
Ich genieße es wahrzunehmen und zu spüren, wenn ich im Element bin. Die zwei Tage konnte ich als Moderator, für andere, für das Team etwas sein. Ich genieße es, wenn mein Wirken sichtbare Ergebnisse bringt.
So lasse ich meine Gedanken etwas laufen. Sozusagen im Rückspiegel sinniere ich über die letzten Tage und Wochen. Wenn Menschen das tun was sie gut können, wenn sie am richtigen Platz sind, in ihrem Element, macht Leben und Arbeiten Freude.

Eckard von Hirschhausen veranschaulicht es mit einem Pinguin. Dieser kann schlecht Radfahren und Hochspringen, jedoch im Wasser ist er in seinem Element. Wichtig zu wissen was mein Element ist. Stärken stärken und diese leben macht mir und anderen Freude.
youtube.com/watch

Musik ist ein Thema. Unsere Tagesstätte wurde eingeweiht nach Umbau und Renovierung. Ob es das Bläserquintett der Musik- und Kunstschule, muk-fds.de Feldsonne & Friends feldsonne.de oder Driftwood ist. Sie alle haben Freude und machen den Menschen gute Laune. Wenn Begabung, Talent und Leidenschaft zusammen kommen, kann man staunen und geniessen.

So auch rund um Versorgung, Essen, Trinken. Die richtigen Menschen am richtigen Ort bewegen Unglaubliches und wirken beflügelt, beflügeln und erfreuen andere. Wie motivierend ist es doch, wenn man erlebt, dass Menschen das was sie tun gerne tun.

Manche nimmt man nicht so wahr, auch diese sind wichtig und wollen und sollen mit Wertschätzung wahrgenommen werden. In der Spülküche sind wichtige Menschen anzutreffen, in der Reinigung und Service, bei der Deko. Auch all das will idealerweise mit Herz und begeistert gemacht werden.

Ein Teil meines Teams war zuletzt auf der Bürgermesse. Ich war begeistert zu erleben wie Teammitglieder offensichtlich beim Organisieren in ihrem Element sind. Wenn der Rahmen gut organisiert ist, können die Helfer ihren Platz finden. Allen zusammen, einschließlich den Gästen wird ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

In den letzten Wochen nahm ich auf einer Leitungsklausur am Bodensee teil. Leitungswechsel waren ein wesentliches Thema. Langjährige Kollegen gehen in Ruhestand, Funktionen werden nachbesetzt.
Wenn spürbar ist, neue Kolleginnen und Kollegen finden ihren Platz, sie sind in der richtigen Funktion, dann wird Energie frei. Wenn jemand in der entsprechenden Leitungsverantwortung in seinem Element ist, macht das vielen Menschen lange Freude.

Das Navi sagt mir, dass der Stau sich langsam auflöst vor mir. Meine gedanklich Reise durch die letzten Wochen endet langsam.

Abends lassen wir den Tag bei einer Meisterfeier ausklingen. Ein Neffe ist Forstmeister, er ist im Wald daheim. Einer für den der Wald seit seiner Kindheit sein Element ist.
Als Abschlußarbeit hat er einen ehemaligen Sandsteinbruch bei Freudenstadt renaturiert. Völlig anderes Feld, und doch auch wieder dasselbe Thema. Ich schaue mir den Steinbruch jetzt am Wochenende an. Nach guter Planung wurde der Steinbruch mit Spezialisten, Kletterern mit Motorsägen und anderen wieder freigelegt und Lebensraum geschaffen. Menschen in ihrem Element haben Großartiges bewegt.

Wie sagt doch Hirschhausen, Stärken stärken ist ungleich sinnvoller als gegen sein Schwächen anzukämpfen. Ein ziemlicher Holzweg ist es auch, sich mit den Stärken anderer zu vergleichen, sein zu wollen wie andere. Andere gibt es auch schon genug.
In dem Sinne schließe ich meine Überlegungen und wünsche viel Freude an den eigenen Stärken, Ideen, Visionen. Freude eben im eigenen Element.

Frühjahrssonne kitzelt auf der Nase und wärmt den Rücken. Wenn die Sonne, dieses gigantische Kraftwerk weit weg jetzt im Frühjahr seine Kraft zeigt, hat das allseits belebende Wirkung. Nicht nur hier, sondern global.

Sonntag, freier Tag und der Morgensspaziergang findet etwas später statt. Ich bin zielloser, mit mehr Musse unterwegs als unter der Woche.

Da, an der Felsenbirne und der Rose erste Knospen, jetzt wo die Zeit dafür reif ist. Diese Dynamik zeigt sich eben zur gegebenen Zeit, nicht früher und nicht später.

Die Schneeglöckchen kommen überall hervor zu ihrer Zeit. Mit unwiderstehlicher Kraft und doch so zerbrechlich. Ich denke ein wenig nach, wie wichtig es doch ist, als Mensch in diesen Rhythmen mitzugehen, und nicht Prozesse zur Unzeit erzwingen zu wollen. Nichts wächst schneller wenn man dran zieht.

Das Hochbeete haben wir gestern schon mal vorbereitet, die ersten Lagen mit Schnittgut und Laub, nächstes Wochenende soll bepflanzt werden. Auch diese Aktivität gehört eben in diese Tage und Wochen. Teil werden von dem, was sich bewegt. Organisch mitgehen.

Scheinbar hat alles geruht, Bäume, Pflanzen, Gras, Vögel. Die Sonne und die Frühjahrswärme erwecken das Leben. Den Moment leben, auch jetzt das frühe Frühjahr, wo noch alles etwas braun und karg ist, und doch schon überall zartes Grün kommt.

Früh am Morgen baden hier Vögel und trinken. Samus Lieblingstrinkstelle im Garten. Geniessen, Lebenslust, im Moment sein.

Bevor es auf den Kienberg geht noch im Park vorbei. Am Fröschlesbrunnen das Krokusmeer wirken lassen. Dahinter die Bienenstämme. Bald werden überall Insekten sein, wichtige Indikatoren, wie gesund die Verhältnisse drum rum sind. Mir wird kurz bewusst, wie zerbrechlich die Kreisläufe sind. Wir haben Verantwortung dafür, wie wir als Einzelne und Gesellschaft unser Leben gestalten. Auf Kosten der Lebensgrundlagen oder achtsam, sorgsam, auch bereit zum Verzicht.

Vorbei am Hartranftdenkmal. Dieser prägende Stadtarchitekt hat viel bewegt und gestaltet. Er steht in der Stadt auch für menschliche Lebens- und Gestaltungskraft. Wirken mit Kopf, Herz und Hand. Unser Potential kann zum Guten, Aufbauenden, Schönen verwendet werden, oder auch zur Zerstörung und Gewalt.

Ostern steht vor der Tür. Die Osterglocken erinnern mich daran. Ostern steht für Aufbruch, Neubeginn, das Leben siegt über den Tod. Aus dem scheinbaren Tiefpunkt des Lebens Jesu Christi ersteht der Neuaufbruch, die Auferstehung, lebendige Hoffnung. Mit diesem Eindruck gehe ich ermutigt werden.

Direkt hinter den Osterglocken hängt ein Kinderdrachen im Baum vom letzten Herbst.

Ja, manche Träume sind vielleicht kaputt, hängen in den Bäumen. Manches in diesen Tagen bedrückt, macht Angst und Sorge, Pandemie, Krieg, im privaten Umfeld Krankheit, Brüche. Und parallel wachsen Menschen über sich hinaus, leisten Großartiges. Später am Tag höre ich die Predigt eines ukrainischen Pastors, der mit zahlreichen Ukrainern hier in Freudenstadt als Flüchtling angekommen ist. Er spricht über lebendige Hoffnung, wahre Hoffnung die auf den tragenden Grund der Gegenwart des Schöpfers setzt.

Optimismus ist in seinem Wesen keine Ansicht über die gegenwärtige Situation, sondern er ist eine Lebenskraft, eine Kraft der Hoffnung, wo andere resignieren, eine Kraft, den Kopf hochzuhalten, wenn alles fehlzuschlagen scheint, eine Kraft, Rückschläge zu ertragen, eine Kraft, die die Zukunft niemals dem Gegner läßt, sondern sie für sich in Anspruch nimmt.
Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.
Dietrich Bonhoeffer

Im Treppenhaus, ein großformatiger Kalender. Aktuell im Februar, zu sehen ein altes mechanisches Teil, ein sogenannter Radgreifer. Die Internetrecheche sagt mir, dass dieser Radgreifer eben mechanisch in die Speichen, ins Rad fasst, um dieses zu arretieren.

In manchen Situationen sind wir gefordert, drehenden Rädern Einhalt zu gebieten. Haben wir den Mut, einzugreifen und hartnäckig zu bleiben.

Was hat überhaupt ein dreibeiniger Schwenkgrill mit dem biblischen Liebesgebot zu tun? So fragte ich heute vor einer Woche morgens noch in einem Facebookpost.

Vergangenen Sonntag. Lebe und Liebe, so war das Thema der Predigt, die ich im evangelischen Gemeindehaus in Freudenstadt hielt. Im Zentrum, das biblische Doppel bzw. Dreifachgebot der Liebe aus Lukas 10,38: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit all deiner Kraft und mit deinem ganzen Verstand. Und auch deinen Mitmenschen sollst du so lieben wie dich selbst. Willkommen im Alltag, so waren meine Worte. Dieses Dreifachgebot muss rein in den Alltag, runterbuchstabiert werden. Es geht um Liebe zu Gott dem Schöpfer, dem Mitmenschen und zu sich selbst.
Drei Beziehungsdimensionen, auf denen das Leben gründen soll, wie der Schwenkgrill auf 3 Beinen steht.

Zwischenzeitlich ließ Putin seine Truppen in der Ukraine einmarschieren und verantwortet einen Angriffskrieg. Wir sind am 25.02.2022 in einen anderen Welt aufgewacht. Und doch sind die alten zeitlosen Werte weiterhin gültig. Auch das Dreifachgebot der Liebe. Wie kann das gehen, als Verantwortliche, mittendrin in diesem Konflikt? In diesen Tagen konkrete Politik zu verantworten, zu handeln, unter der Dynamik des Krieges und doch werteorientiert zu bleiben, ist eine unglaubliche Herausforderung. Sich raushalten, passiv bleiben ist keine Option und man wird dem Liebesgebot durch Untätigkeit auch nicht gerecht. Die Verantwortlichen brauchen Gebet und Rückhalt, ebenso wie die Menschen in der Ukraine. Wir alle spüren, auch wir sind gefordert. Wir dürfen nicht nur Nachrichten passiv konsumieren. Live sind wir in einen Krieg mit hineingestellt. Allein dass wir um die Geschehnisse wissen, macht uns im weitesten Sinne zu Mit-Akteuren. Wir dürfen und müssen Antwort geben mit unserer Haltung, mit Reden, Handeln, mit unserem Leben in diesen Tagen. Antworten mit Kopf, Herz und Hand in vielerlei Formen, an vielen Orten.

Ich bin in diesen Tagen erinnert worden an verschiedene Worte von Dietrich Bonhoeffer. Er hat diese sozusagen noch als Vermächtnis vor seinem gewaltsamen Tod durch die Nazis in den 1940ern formuliert, nachzulesen in dem Buch Widerstand und Ergebung. Mit Bonhoeffer verbinde ich die Haltung, dass es eben durchaus das Gebot der Stunde sein kann, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen. Radgreifer zu sein.

Optimismus:

Es ist klüger, pessimistisch zu sein; vergessen sind die Enttäuschungen und man steht vor Menschen nicht blamiert da. So ist Optimismus bei den Klugen verpönt. Optimismus ist in seinem Wesen keine Ansicht über die gegenwärtige Situation, sondern er ist eine Lebenskraft, eine Kraft der Hoffnung, wo andere resignierten, eine Kraft, den Kopf hochzuhalten, wenn alles fehlzuschlagen scheint, eine Kraft, Rückschläge zu ertragen, eine Kraft, die die Zukunft niemals dem Gegner läßt, sondern sie für sich in Anspruch nimmt. Es gibt gewiß auch einen dummen, feigen Optimismus, der verpönt werden muß. Aber den Optimismus als Willen zur Zukunft soll niemand verächtlich machen, auch wenn er hundertmal irrt. Er ist die Gesundheit des Lebens, die der Kranke nicht anstecken soll. Es gibt Menschen, die es für unernst, Christen, die es für unfromm halten, auf eine bessere irdische Zukunft zu hoffen und sich auf sie vorzubereiten. Sie glauben an das Chaos, die Unordnung, die Katastrophe als den Sinn des gegenwärtigen Geschehens und entziehen sich in Resignation oder frommer Weltflucht der Verantwortung für das Weiterleben für den neuen Aufbau, für die kommenden Geschlechter. Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.

Sind wir noch brauchbar?

Nicht Genies, nicht Zyniker, nicht Menschenverächter, nicht raffinierte Taktiker, sondern schlichte, einfache, gerade Menschen werden wir brauchen. Wird unsere innere Widerstandskraft gegen das uns Aufgezwungene stark genug und unsere Aufrichtigkeit gegen uns selbst schonungslos genug geblieben sein, dass wir den Weg zur Schlichtheit und Geradheit wieder finden?

Abschließend ein Gebet von Dietrich Bonhoeffer, das besonders für die Menschen die jetzt im engsten Sinne betroffen sind etwas geben könnte, in der der Ukraine, im Widerstand, auf der Flucht. Dieses Gebet ist in tiefer Bedrängung und Not formuliert, als noch kein Ende der Naziherrschaft absehbar war.

Ich glaube

Ich glaube,
dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.

Ich glaube,
dass Gott uns in jeder Notlage
soviel Widerstandskraft geben will,
wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben müsste alle Angst
vor der Zukunft überwunden sein.

Ich glaube,
dass Gott kein zeitloses Fatum ist,
sondern dass er auf aufrichtige Gebete
und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Zum Jahreswechsel 2021/2022 hat mich mal wieder das altbekannte Lied von Dietrich Bonhoeffer inspiriert, musikalisch und im "Stadtspaziergang" interpretiert von Annie Heger.

youtube.com/watch

Euch allen einen guten Jahreswechsel und dann einen gelassenen, mutigen, hoffnungsfrohen Start ins Jahr 2022. Wir wissen nicht was kommt, sind aber ohne Zweifel gehalten.

Bonhoeffer schreibt aus dem Gefängnis 1945: Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick allein und verlassen gefühlt. Für eure Gebete und guten Gedanken, Bibelworte, längst vergangene Gespräche, Musikstücke, Bücher bekommen Leben und Wirklichkeit wie nie zuvor. Es ist ein großes unsichtbares Reich, in dem man lebt und an dessen Realität man keinen Zweifel hat. Wenn es im alten Kinderlied von den Engeln heißt: ‚zweie, die mich decken, zweie, die mich wecken‘, so ist diese Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsenen heute nicht weniger brauchen als die Kinder.

Beim Durchsortieren der Regale ist es mir wieder in die Hände gefallen. "Macht" titelt das Buch von Katja Kraus, ehemalige Fußballnationalspielerin und Vorstandsfrau beim HSV. Damals einzige Frau im Management des deutschen Profifußballs. Sie schreibt darin Geschichten vom Erfolg und Scheitern. Menschen aus Wirtschaft, Politik und Sport kommen zu Wort, etwa Ron Sommer, Gesine Schwan oder Sven Hannawald.

In diesen Tagen geht es im Zuge der Regierungsbildung um Posten der Macht. Der Koaltionsvertrag steht, nun werden die Ämter verteilt, Ministerien, Staatssekretärsposten, zahlreiche wichtige Funktionen.

Macht bezeichnet die Fähigkeit einer Person oder Gruppe, auf das Denken und Verhalten einzelner Personen, sozialer Gruppen oder Bevölkerungsteile so einzuwirken, dass diese sich ihren Ansichten oder Wünschen unterordnen und entsprechend verhalten. Menschen bekommen in diesen Tagen Macht.

Es ist auch der 1. Advent. Dieser steht für die Erwartungshaltung bezüglich des Christus, dessen Geburt an Weihnachten gefeiert wird. Er kommt als Herr der Welt in scheinbarer Ohnmacht zur Welt. Im Hinterhof, ohne Zeichen der Macht, eher ärmlich, verlassen, etwas verloren. Nur wenige erkennen in den Umständen - der Sternenkonstellation, dem Wirken der Gottesboten, der Gottesboten - den Gottessohn. Ohnmacht wirkt nicht sehr attraktiv und ist kein Hingucker.

Am Anfang des Lebens als Baby, als Kind und am Ende des Lebens, im schwächer werden, im Sterbeprozess, ist die menschliche Macht maximal begrenzt. Beide Grenzen sind jedem Menschen, so machtvoll und stark dieser im Leben sein mag, absolut gesetzt. Daran geht kein Weg vorbei.

Zurück zu Jesus. Er war und ist ein sehr besonderer Herr, Gottessohn, Gott, von Anfang an. Scheinbar ohnmächtig und auch derjenige der sagt, "Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden." In der Tat, er wirkte auf seine Art machtvoll und wirksam. Er veränderte die Erde und das Leben der Menschheit nachhaltig und dauerhaft wie kein anderer. Bis heute ist sein Einfluß enorm und es die Zeit der maximalen Offenbarung steht noch aus. Auch wenn seine Art und Wirkungsweise nicht den menschlichen Kriterien der Machtausübung folgt und häufig irritiert.

Ist Macht gut oder schlecht oder gar neutral? In der Arbeit mit Menschen, in der Pädagogik, geht es viel um Selbstwirksamkeit, Selbstermächtigung, Empowerment. Zu einem guten gesunden Leben gehört schon früh, zu erleben dass mein Leben wirksam ist, dass mein Denken und Handeln Einfluß hat. Zu einer guten gesunden Arbeit gehört, dass ich erlebe, ich bin selbstwirksam und habe konkreten Einfluß. Wer sich vor allem als Opfer der Umstände erlebt, sich duckt und tut was andere wollen, anpasst, kommt unter die Räder, wird krank.

Wer über diese Zusammenhänge nachdenkt, wird zum Schluß kommen, dass es einen gewisse gesunde Balance braucht. Man kann sowohl auf der Seite der Selbstwirksamkeit, der Macht vom Pferd fallen wie auch auf der Seite der Anpassung, der Opferhaltung.

Nun sind in diesen Tagen etliche Posten in der neuen Regierung bereits verteilt, um andere wird noch gerungen. Es sind wichtige Posten mit hohem Einfluß, mit hohem Ansehen. Mir fällt auf, dass in diesen Tagen und Wochen in diesem Zusammenhnag häufig das Wort Demut in den Mund genommen wird. Gerade auch von denen, die durch die Bundestagswahl nun in Positionen der Macht kommen.

Nun reizte es mich doch nachzuschauen. Im althochdeutschen kommt der Ausdruck Demut kommt von diomuoti (‚dienstwillig‘, also eigentlich ‚Gesinnung eines Dienenden‘). Die Bestandteile des Wortes lassen sich weiter herunterbrechen in die beiden Wörter „dienen“ (dionōn) und „Mut“ (muot). Im christlichen Kontext bezeichnet Demut die Haltung des Geschöpfes zum Schöpfer analog dem Verhältnis vom Knecht zum Herrn, allgemeiner die „Tugend, die aus dem Bewusstsein unendlichen Zurückbleibens hinter der erstrebten Vollkommenheit (Gottheit, sittliches Ideal, erhabenes Vorbild) hervorgehen kann“. Demut bedeutet das Anerkennen der Allmacht Gottes. Demut beschreibt demnach die innere Einstellung eines Menschen zu Gott. Der Demütige erkennt und akzeptiert aus freien Stücken, dass es etwas für ihn Unerreichbares, Höheres gibt.

Jesus bringt es mal so auf den Punkt, "welcher will groß werden unter euch, der soll euer Diener sein".

Was auch immer die einzelnen nun genau meinen, wenn sie sagen, dass die Herausforderungen und ihre eigene Rolle darin sie demütig macht und sie Respekt haben. Mir scheint es eine gute Ausgangsposition zu sein. Macht und machtvolle Positionen sind häufig verbunden mit narzistischen Haltungen, mit Selbstüberschätzung, mit mangelndem Respekt. Macht verbindet sich rasch mit Geld, mit Macht über Menschen. Nicht von ungefähr spielt Machtmißbrauch so ein wahnsinng große Rolle. Abhängigkeit von Menschen wird ausgenutzt, mißbraucht. Macht kann sehr destruktiv gebraucht werden. Es ist gut, dass wir in einer Zeit und einem Land leben, in dem Dinge aufgedeckt werden und ans Licht kommen.

Es ist sicherlich so, je mehr Macht jemand hat, je mehr Verantwortung, desto mehr darf auch der Respekt und die Demut vor dieser Funktion und Rolle ausgeprägt sein. Desto größer sollte die Demut und der Respekt sein. Wem viel gegeben ist, von dem wird viel verlangt.

Alles Gute und Gottes Segen denen die die Hand nun an den Pflug legen und die sich der Verantwortung stellen.

Vom ohnmächtigen Kind Jesus schreibt in prophetischer Klarheit Jesaja 9,5:
Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben; und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und man nennt seinen Namen: Wunderbarer, Ratgeber, starker Gott, Ewig-Vater, Friedefürst.

Während ich durch das herbstliche Blättermeer schlendere, dem Hund hinterher, gehen meine Gedanken spazieren. November der stille Monat. Auch durch seine Feiertage werden wir erinnert, dass das Leben endlich ist. Fallende Blätter, kurze Tage, lange Nächte. Diese Tage haben das Potential ein bestimmtes Lebensgefühl auszulösen. Seien es Stimmungen des Rückblicks, des Bilanzierens, der Melancholie, der Besinnlichkeit oder auch der Freude an den bunten Farben und herbstlichen Früchten.

In diesen Tagen, in denen das Laub fällt, die Bäume kahl werden, die Natur zur Ruhe kommt, ist bereits der Neuaufbruch, das Frühjahr angelegt.

Die Samen schlummern im Boden, die Bäume sammeln Kraft. Wenn es an der Zeit ist, knospen und grünen sie mit Macht. Es ist alles bereits angelegt. Die Schöpfungskreisläufe tragen immer schon die Zukunft in sich.

Herbst ist eben auch die Zeit um nach vorne zu schauen. Es ist Zeit um im Kalender das kommende Jahr durchzublättern, Ideen zu entwickeln, Pläne zu formulieren. Was möchte ich anpacken, was nehme ich mir vor? Womit bin ich unzufrieden, welche neuen Akzente werde ich setzen, welche Entscheidungen treffe ich? Was werden meine Schwerpunkte fürs neue Jahr sein? Was sind meine Big Points, die auf keinen Fall unter den Tisch fallen dürfen?

Die langen Abende bieten reichlich Zeit in Ruhe nachzudenken. Raum um sich mit den wichtigen Menschen um einen herum auszutauschen und Weichen zu stellen. Möchte ich eine Fortbildung oder Ausbildung angehen? Werde ich ein Instrument lernen? Welche Beziehungen möchte ich auffrischen. Packe ich den Wohnungswechsel an? Oder ändere ich etwas an meiner beruflichen Situation? Gehe ich meinen Alkoholkonsum an? Sorge ich besser für meine Gesundheit? Werde ich abnehmen? Stelle ich mich meinen Unzufriedenheiten und packe konkrete Veränderungen an?

Das Leben nimmt immer irgendwie seinen Lauf, ob wir darauf bewusst Einfluß nehmen oder nicht. Es ist richtig, dass ich nicht alles direkt und auf die Schnelle beeinflussen kann. Und doch ist es auch so, dass das Leben am langen Ende die Summe getroffener Entscheidungen und gelebter Weichenstellungen ist, bzw. auch die Summe von Nicht-Entscheidungen.

Wie steht es mit meiner Würde als mündiger freier Mensch? Sich nicht als Opfer der Umstände begreifen, vielmehr als aktiver Gestalter, Entscheider, jemand der auch Risiken eingeht. Und eben auch nicht nur im Konjunktiv bleibt, im Sinne von: ich würde gerne, ich sollte, eigentlich müsste ich, oder noch besser man sollte eigentlich... Freiheit und Selbstverantwortung, ein manchmal anstrengendes Paar.

Tötet den Konjunktiv, so tönt es in meinem Kopf. Hinaustreten in die Freiheit und mutig entschlossen nach vorne leben. Ziele setzen, Entscheidungen treffen, Weichen stellen und dem was man sich vornimmt treu bleiben. Es kann sich auf dem Weg immer noch mal manches ändern. Wer jedoch nur abwartet und nicht entscheidet wird von den Umständen und anderen gelebt. Ja und auch Scheitern gehört zum Aufbrechen und Vorwärtsgehen. Auch damit darf man umgehen.

Über mich hinausgedacht gilt das auch für mein soziales Leben, mein Mich-Einmischen, mein Engagement im weiteren Sinne. Diese Woche hörte ich von einer jungen engagierten Frau: Ich wollte nicht nur meckern, sondern auch etwas tun. Da bleibt nur ein kräftiges JA, gut so.

Ich werde erinnert an zwei Menschen, die mir seit langem für ein wirkungsvolles verantwortliches Leben stehen und mich immer wieder inspirieren. Kräftige Zitate dieser beiden Männer sollen diese Gedanken abschließen.

Das Notwendige tun, nicht im Bereich des Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen.
Dietrich Bonhoeffer

Menschliches Verhalten wird nicht von Bedingungen diktiert, die der Mensch antrifft, sondern von Entscheidungen, die er selber trifft.
Viktor Frankl

Sie hat aus der öffentlichen Toilette am Hamburger Fischmarkt einen besonderen Ort gemacht. Wir stehen mit unserem Bulli einige Tage dort, um Zeit zu überbrücken. Ein paar Meter weiter ist der Schellfischposten von wo aus "Inas Nacht" regelmässig gesendet wird.

Gleich beim ersten Mal kommen wir ein wenig flapsig ins Gespräch,.. ach ja die Maske und ohne 50 Cent kein Geschäft. Ich erzähle ein wenig, warum wir in Hamburg sind. Wir sind in diesen Tagen in unserem Umfeld sehr dankbar für beste medizinische Versorgung hier in der Stadt und für Menschen die auf hohem Niveau Hilfe leisten. Sie hilft auch und natürlich kann ich bei ihr ausnahmsweise unseren Wasserkanister befüllen.

Am nächsten Tag begrüsst Sie mich mit "Moin Schatz da biste ja wieder". Da fühl ich mich doch gleich daheim, da ist doch schon eine Beziehung am Wachsen, ohne Zweifel. Nach einem Smalltalk gehts weiter. Beim 3. Besuch ist sie mit ihrer Kollegin in einer Art Sozialraum am Essen und erkundigt sich nach meinem Befinden. Irgendwie nett. Auf dem Nachhauseweg, nach Toilettenschluß, kommen beide an unserem Bulli vorbei und grüssen. Mir macht diese Begegnung Freude, es ist schön, wenn Menschen so ein Gesicht bekommen und man zumindest ein klein wenig dahinter schaut.

Mir kam der Gedanke, dass mit dieser offenen kommunikativen Haltung auch die Betreuung einer öffentlicher Toilette erfüllend und vielleicht sogar eine Berufung sein kann.

Während wir so durch Norddeutschland und dann durch Dänemark tingeln, sind es verschiedene Begegnungen und Eindrücke, die immer wieder auf verschiedene Art und Weise etwas anrühren.

Von Schnubie lesen wir ohne ihn kennenzulernen, als wir im Alten Land, elbaufwärts von Hamburg, auf dem Damm spazieren gehen. Er hats wohl in die Rente geschafft und kann jetzt mit Muse nach den Pötten auf der Elbe schauen, die von Hamburg in die Nordsee fahren oder umgekehrt. Auf was blickt Schnubie wohl zurück, wenn er hier sitzt und was erwartet ihn?

Wir begegnen einer Frau, die am Fischmarkt morgens auf dem Weg zur Arbeit an unserem Bulli vorbeiäuft und sich in unseren Hund Samu "schockverliebt". Wir kommen angeregt ins Gespräch. Abends auf dem Heimweg kommt sie wieder gezielt vorbei. Ein kurzes gegenseitiges Teilhaben am Leben.

Am Grillwagen auf dem Campingplatz in Nordwestdänemark komme ich mit einer Stuttgarterin ins Gespräch. Vor Jahren sind sie als Familie nach Dänemark gezogen. Hier hat die gelernte Friseurin sich mit einem Imbißwagen selbständig gemacht. Sie hat sich hier neu erfunden. Irgendwann wollen sie als Familie wieder nach Süddeutschland zurück.

Der kleine Wohnwagen in einem Hafengelände, bestückt mit Upcyclingprodukten, kein Verkäufer ist da, aber eine Vertrauenskasse. Coole Idee, tolle Produkte. Was für ein Mensch mag dahinter stecken? Einer der eine Idee verfolgt und sein Ding macht.

In einer Kirche in Vorupor in Westdänemark lesen wir etwas aus der Geschichte des Ortes. Vom harten Leben mit der Fischerei, Schiffsunglücken auf der stürmischen Nordsee. Mich beeindruckt die Geschichte eines Lehrers, der sich in jungem Alter auf diesen Ort und seine Menschen eingelassen hat und in Bildung und kirchliches Leben investierte und diese Gemeinschaft wohl ungemein stärkte.

Der Salzpfad, so heißt das autobiographische Buch, das mich unterwegs begleitet. Ein Ehepaar, das nach jahrzehntelangem gemeinsamem Leben materiell alles verloren hat, einschließlich ihrem Haus, entschließt sich den West Coast Path, Englands bekanntesten Küstenpfad, zu wandern. Sie machen sich auf einen langen äusseren und inneren Weg und finden Altes und Neues. Eine Aussage aus dem Buch, die mir hängen blieb: Wenn du als Ehepaar mit Mitte 50 dein Haus verkaufst um neu aufzubrechen und dich noch mal neu zu erfinden, bist du interessant, Gesprächsstoff und eine Inspiration. Ein Ehepaar das aufbricht, weil es alles verloren hat und obdachlos ist, lässt Menschen sich distanzieren und abwenden.

An der Nordseeküste in Dänemark sind die Spuren einer bedrückenden Vergangenheit zu sehen. Das 3. Reich, Hitler und sein Atlantikwall, Hunderte von Bunkern. Erinnerung an Machtspiele, Kampf, Zerstörung. Bei mir hinterlassen diese Eindrücke ein schales Gefühl. Der 2. Weltkrieg ist über 75 Jahre her und doch sind überall noch Spuren, in der Landschaft, und teils auch in den Menschen. Zu was wir Menschen alles fähig sind ist unsagbar. Frieden ist ein unglaublich wertvoller Zustand.

Die nördlichste Spitze Dänemarks beeindruckt durch die Kraft Schöpfung, der Natur, Nord- und Ostsee, wildes Wasser, Sand, Dünen. Und auch hier am Skagerak begegnen wieder Geschichten von Machtkämpfen zwischen Norwegen, Dänemark, umkämpfte See- und Handelswege.

Offensichtlich ist der Mensch häufig des Menschen und der Schöpfung grösster Feind. Fähig zu allem Schlechten und allem Guten.

In Skagen spürt man sehr stark die Schöpfung, die Kraft von Wind, Wasser, den Naturkräften. Ähnlich ist es auch bei der Wanderdüne Rugbert, einer der grössten Wanderdünen Europas.

Im Wirkenlassen der Eindrücke dachte ich an Harald Lesch, der in einem Gespräch etwa folgendes sagte: Ich steh davor.... es ist grösser als ich, ... es ist älter als ich. Naturgesetze sind nicht verhandelbar. (Erkenntnis im Blick auf die Welt, das Grosse-Ganze, und der Sichtweise...nimm dich nicht so wichtig, überschätz dich als Mensch nicht)

Und dann begegnete mir noch Ferdinand von Schirach in einem Buch, der im Blick auf den Menschen folgendes schreibt: Der Mensch kann ja alles sein, er kann Figaros Hochzeit komponieren, die Sixtinische Kapelle erschaffen und das Penecillin erfinden. Oder er kann Kriege führen, vergewaltigen und morden. Es ist immer der gleiche Mensch, dieser strahlende, verzweifelte, geschundene Mensch.

So begegnen im Unterwegssein verschiedenste Menschen an verschiedensten Orten, in Livebegegnungen, in der Geschichte, in Büchern. Begegnungen, Eindrücke, Impulse. Wir werden in verschiedenste Zeiten, Orte, soziale Verhältnisse, Orte, hineingeboren. Ich empfinde unendlich viel Anlass dankbar zu sein. Und ich nehme wahr, es gibt immer auch Spielräume die sich gestalten lassen. Das hat auch mit unserer menschlichen Würde zu tun, dass wir nie nur Opfer der Verhältnisse sind.

In der Stadtkirche Freudenstadt erinnert mich die Weltkugel beim Andachtsfenster im hinteren Bereich mit den zugehörigen Texten, dass wir Menschlein und unsere verrückt-schöne Welt einen Schöpfer haben der sie trägt und der Anfang und Ende ist. Das entspannt und verpflichtet zu einem verantwortlichen Leben.

Ich werde abschließend noch erinnert an das alte Desidirata, dessen letzte Sätze ich zitieren möchte:

Du bist ein Kind der Schöpfung, nicht weniger wie die Bäume und Sterne es sind. Du hast ein Recht darauf, hier zu sein. Und ob Du es merkst oder nicht - ohne Zweifel entfaltet sich die Schöpfung so wie sie es soll.
Lebe in Frieden mit Gott, so wie Du ihn jetzt für Dich begreifst.
Und was auch immer Deine Wünsche und Träume sind in der lärmenden Verwirrung des Lebens - halte Frieden mit Deiner eigenen Seele.
Mit all ihrem Trug, ihrer Plackerei und ihren zerronnenen Träumen - die Welt ist immer noch schön!

Direkt vor der Haustür, und doch immer wieder überraschend. Eintauchen in den Wald mit all seinen Facetten. Kleiner Samstagmittagausflug, raus gehen, bewegen, laufen. Nach Jahren mal wieder den Köhler am Baiersbronner Holzweg besuchen. Die Kohle soll wohl die Tage ausgezogen werden.
Gleich am Parkplatz Heuberg, am Beginn des Holzwegs, schaut uns großflächig ein Urgestein vom Kniebis an, Förster, Stadtrat. Einer der übern Tellerrand hinausdenkt und -lebt, egal obs schick ist oder nicht. Ein verantwortungsvoller Unbequemer. Einer, der nicht nur zuschaute und vom Spielfeldrand aus kommentierte. Einer der schon immer eine Spur wilder war, schon bevor der Nationalpark erfunden wurde.

Ich habe ihn zuletzt beim Frühgottesdienst am Ostermorgen auf dem Friedhof Kniebis getroffen. Jetzt lese ich auf dem Transparent sein Zitat:
Des isch alles s'Gleiche: Liebe deinen Nächsten wie dich selbscht....on do g'hört naddirlich au da Borkakäfer on'd Brennessel dazua...Aus, fertig!
Wenn man ihn kennt, kommt man nicht drum rum, über den Satzr nachzusinnen. Der Borkakäfer ist allerdings schon ein gewöhnungsbedürftiger Kandidat der Nächstenliebe ist und führt eher zum Gebot der Feindesliebe.

Weiter zur ehemaligen Pflanzschule. Dort sitzt die Kerntruppe des Köhlers an der Hütte, lässt ausklingen. Die Kohle ist schon ausgezogen. Ich lasse den Eindruck, diese Situation etwas wirken. Der Köhler ist
einer der Jahr für Jahr sein Ding macht. Er macht das was ihm wichtig ist, mit einer Gruppe von Menschen, die sich dafür begeistern. Zwischenzeitlich eine Institution im Baiersbronner Sommer.

Weiter auf dem Holzweg. Noch einer der sein Ding macht hat hier Spuren hinterlassen. Die Kugelbahn, von Baiersbronnern gefertigt. Die Kugeln kommen aus dem umgerüsteten Kaugummiautomaten, Kugeln mit Botschaft. Da steckt einer dahinter, der sich bewegen lässt, sich selbst bewegt und dadurch Bewegung auslöst. Wie schön, dass es nicht nur bei der Idee blieb, sondern die Mühe der Umsetzung begeistert gelebt wurde.

Weiter auf dem Holzweg. Wald, mit allen Sinnen erleben. Für jeden zugänglich. Kostenfrei....ist es nicht genial? Barfußlauf der urigen Art.
Draussen sein, die Schöpfung spüren. Gut, dass viele das in der Coronazeit neu entdeckt haben.

Und was fürs Auge, Farbspiel, Licht, leichte Bewegung im Wind. Wahrnehmen, dass alles seine Zeit braucht, vom Fall der Zapfen oder der Bucheckern mit den Samen, über den Keimling. Bis dann zum grösser werdenden Baum. Die Jahresringe erzählen jahrzehntealte Geschichten. Die Natur geht in Ruhe ihren Weg, auch im Wechsel der Jahreszeiten, bei Sonne, Regen, Unwettern.

Man kann über den Wald viel Philosophisches, Tiefsinniges sagen. Der Baiersbronner Wald ernährt seit Generationen Menschen, ist Lebensraum, Erholungsraum, wesentliche Grundlage des Tourismus. Wer im Wald unterwegs ist und sich einlässt, der erlebt, dass der Wald auf vielen Ebenen einfach gut tut.
Holz spricht mich als Schreinerbua an. Ich denke auch daran, dass Holz schon zu alten biblischen Zeiten als Baumaterial gebraucht wurde. Für die Arche, den Tempel. Und Jesus war immerhin auch Zimmermann, einer der sich mit Holz auskannte.
Meine Gedanken hängen kurz bei der Coronakrise. Der Volksmund sagt, dass es sich in der Krise durchaus zeigt, aus welchem Holz man geschnitzt ist. Da ist was dran.

Bei der "Fegefeuerhütte", was für ein Name, kommen mir Erinnerungen hoch. Lange haben wir unten am Waldrand gelebt. Wir reden davon, dass an dieser Hütte in schwierigen Zeiten häufig der Psalm 23 gebetet wurde. Der Herr ist mein Hirte....und ob sich schon wanderte durchs finstere Tal. Der Wald, die Stille als Ort des Klagens, der Besinnung, der Sammlung, der inneren Klärung.

Ganz nebenbei nehme ich wahr, dass Holz, das beständig nachwächst, stark und beweglich ist, ein optimaler Baustoff, verfältigst verwendbar. Natürlich auch als nachwachsender Brennstoff. Dass Holzbalken recht brandfest sind. Danke an diejenigen, die die Infotafeln entwickelt haben. Laufen, Erholen, Lernen, eine solide Kombination.

Auf dem Holzweg? Klar, das ist eine super Sache. Der Holzweg hat das Potential zu inspirieren, gut tut das Unterwegs sein auf jeden Fall. Prädikat empfehlenswert.
In dem Sinne ist es eine kleine schwäbische Auszeit. Es koscht nix. Aber die Auszeit ist sicherlich nicht umsonst. Aus, Ende, Fertig.

Die letzten Tage habe ich die Hunderunde, auch früh morgens, immer wieder barfuß gemacht, das fühlt sich gut an. Heute kamen meine Gedanken ins Kreiseln nebenher. Mir ist aufgefallen, dass ich eigentlich noch nie jemand barfuß mit Hund laufen sah. Warum eigentlich nicht?

Vor einiger Zeit lief ich barfuß in die Stadt und redete kurz mit einem Bekannten, der mich sofort auf meine nackten Füsse ansprach. Im Nachhinein haben ihn meine nackten Füsse wohl mächtig beeindruckt. Er hat bei der Arbeit einen Impuls zum Barfuß-Laufen, Frei-Fühlen, Mut zu Unkonventionalität gehalten. Spannend, was nackte Füsse auslösen können.

Übrigens Wikidedia erklärt, dass barfuß gehen bedeutet, mit bloßen Füssen, ohne Schuhe und Strümpfe zu gehen. Dann weiß ich das jetzt auch, und..... Till Schweiger hat mal 2005 einen tragischkomischen Film mit dem Titel Barfuß gedreht. Das lese ich im Nachgang im www.

Warum läuft kaum jemand barfuß? Es ist ja wohl erwiesenermassen absolut gesundheitsförderlich. Kindern gewöhnt man es eher ab,....du wirst krank, erkältest dich, der Dreck an den Füssen...... Andererseits bauen wir teure Barfussparks, die ja sehr im Trend sind. Dann packen wir diesselben Kinder in unsere SUVs, um dann in diesen "Barfußparks" ganz geordnet im Gänsemarsch barfuß zu laufen. A bissle gaga sind wir schon.

Auf meiner Hunderunde spricht mich auch sofort ein pensionierter Neurologe und Psychiater an, ob ich keine Angst habe wegen Scherben. Aber klar meint er, Barfußlaufen an sich sei klasse und gesund. Jedenfalls stelle ich fest, Barfußlaufen ist gesprächsförderlich.
Mir fällt ein, dass ich als Kind mal im Bach beim Fische fangen einen Nagel in den Fuss eingetreten hatte. Das war ein blöder Arztbesuch danach, der Nagel musste rausgeschnitten werden. Und dann fällt mir noch ein Jugendtreffen von vor fast 40 Jahren ein. Der Jugendpastor war barfuß beim Treffen und ich hielt ihn mehr oder weniger für einen Freak, schlicht weil mir das bei Erwachsenen fremd war.

Manches spricht aus optischer Sicht gegen Barfuß laufen. Ich bin schön etwas älter, mancher Zeh ist etwas krumm, es gibt Hornhaut, Hautrisse, ... besser verstecken? Füsse werden immer sofort begutachtet, aber was solls. Wenn man sich zu damit beschäftigt was andere wohl denken, nimmt das die Freiheit, also vergiss es.
Unglaublich auf wie vielen Wegen mich diese Füsse schon getragen haben. Täglich vielleicht 5000 Schritte, das heißt vielleicht so 3 km x 365 Tage x fast 57 Jahre, das sind über 60.000 km, 1,5 x um die Welt Wahnsinn. Vielleicht bin ich täglich auch 10.000 Schritte gegangen, dann wären das 3 mal um die Welt, wow. Das darf man den Füssen dann auch etwas ansehen. Unglaublich wie wir ausgestattet sind.

Ich bin gleich zuhause,....und ich denke an ein Buch das davon berichtet, was Menschen in der letzten Lebensphase bereuen. Zum Beispiel, dass sie nicht mehr in Beziehungen investiert haben, in ihre Liebsten, dass sie nicht öfter im Gras gelegen zu haben und...... dass sie nicht häufiger barfuß gelaufen sind. Na dann, also.... Mein Impuls ist, tue öfter was Unkonventionelles, einfach so.

Vielleicht sind das auch alles Luxusüberlegungen. Es gibt dann ja auch noch die Gegenden auf der Erde, wo die Menschen schlicht mangels Schuhwerk barfuß laufen.
Ich resümiere, Barfuß laufen scheint eine ganz natürliche, anregende Sache, und eine Gedankenrunde wert.

Wer noch ein wenig Fundiertes dazu lesen möchte, hier was vom Diplom-Sportlehrer aus einen SR 3-Beitrag von Renate Wannigner vom 31.05.2021.
Barfuß laufen gibt auch ein neues Gefühl für sich selbst
Ohne Schuhe im Freien zu laufen, scheint ein neuer Trend zu werden. Im Sommer barfuß über den Strand zu rennen, kennt wohl jeder oder zu Hause durch die Wohnung - aber barfuß durch die Stadt spazieren oder gar wandern? Auf jeden Fall gibt es ein neues Gefühl für den Untergrund.
Wer seine Füße wieder richtig spüren und damit Muskulatur aufbauen will, sollte mehr barfuß laufen. Beim Barfußlaufen werden mehr als 30 Muskeln in Fuß und Beinen aktiviert, beim Laufen mit Schuhen grade mal sechs. Diplom-Sportlehrer Ralf Becker bietet im Ottweiler Schwimmbad Barfußlauf-Kurse an. Er sieht neben der Muskelaktivierung einen weiteren Vorteil im sensomotorischen Bereich. Durch den direkten Kontakt mit dem Untergrund bekommen Barfußläufer auch wieder ein neues Körpergefühl und auch eine neue Körperstatik.
Problematisch ist natürlich, wenn man auf etwas Scharfes oder Spitzes tritt. Da muss man ein wenig aufpassen. Darum würde Becker auch nicht empfehlen, die Schuhe gleich wegzuwerfen, sondern einfach mal auszuprobieren. In dieser Zeit der Umgewöhnung könne man auch so genannte Barfußschuhe tragen, die gegen Kälte oder spitze Steinchen schützen.

Pfingstsonntag, Regennacht, unausgeschlafen erwache ich. Der Plan ist klar. Mit Samu die Hunderunde, wach werden, Frühstück, Duschen und dann zum Openair-Gottesdienst. Etwas müde, nach der gestrigen Haus-ESC-Party und den 2 Punkten für Hendrik, unseren deutschen Barden, blinzle ich aufs Handi. O no, nein, ich will nicht. Eine Whatsup von Werner, Freund und Mitbewohner lautet "Etwas Hochwasser im Weinkeller".

Es ist ein alter Gewölbekeller im 100 Jahre alten Haus. Die letzten Tage hat es immer wieder stark geregnet. Nicht verrückt machen lassen, jetzt erst mal einen Kaffee. Dann mit dem Samu nach unten. Werner hat bereits alles weggestellt im Sandsteingewölbekeller und schaufelt die Kloakenbrühe weg, Eimer um Eimer, gut. Während der Runde mit dem Hund sinniere ich vor mich hin.
Eigenlich bin ich wirklich Optimist, aber zwischendurch bewegt mich kurz die Frage, ob an Murphys Gesetzen was dran ist. Was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen. Deswegen landet das Butterbrot immer auf der Butterseite. Verstopftes WC, überlaufende Spülmaschine,....solche Dinge geschehen doch erstaunlich oft an Feier-/Sonntagen, oder nicht? Aber ich verwerfe den Gedanken, bringt nicht weiter.
Der altaktuelle Pfingstchoral "O komm du Geist der Wahrheit" spielt sich in meinen Geist.

Sollte der Text richtungsweisend sein? Liegt der Lösungsansatz darin, eben nicht an der Oberfläche zu bleiben, sondern den Dingen auf den ursächlichen Grund gehen? Nicht nur Symptombehandlung betreiben, sozusagen die Kloakenbrühe des sich aufdrängenden Problems wegschaufeln, sondern wirklich schauen, wo der Butzen hängt. So dass dann nachhaltig Ruhe ist.

Ich würde sofort unterschreiben, dass der Geist der Wahrheit, der Heilige Geist, in meinen alltäglichen Leben erhellend, beleuchtend, Augen öffnend im Boot ist. Und er schreckt auch vor der bisweilen kloakigen Brühe des Lebens und der konkreten Verhältnisse nicht zurück. Er ist für den klaren, prophetischen, offenbarenden Blick zuständig, der nicht nur Oberflächenkosmetik betreibt.

Mit kommt auch kurz der gedankliche Link zu Jens Böttcher und seinem Programm TiefSehTauchen, in dem er mit Gästen aus den Bereichen Musik, Literatur, Kunst über „Gott und die Welt" spricht. Ich sollte vielleicht mal wieder auf seinen Youtubekanal gehen. Häufig ist es gut TieferZuSehen.

Wieder zurück am Haus ist klar, ich muss ran. Die Situation ist wie sie ist. Es stinkt aus dem Keller zum Himmel. Schön, meine Frau ist auch schon wach und fertig zum Gehen,...ach? Frühstück bei der Nichte, da würde ich jetzt am Liebsten gemütlich mitgehen,....aber ich habe vor Ort eine Mission zu erledigen.
Alte Klamotten an und runter. Nun darf ich innerlich ordnen, ....der Geist der Wahrheit, TiefSehTauchen, die Frage nach der Ursache. Ja es hat geregnet, aber selbst wenn alles sauber abläuft, darf die Brühe nicht hochdrücken. Da muss ein Rohr verstopft sein. So öffne ich mal den Schacht im Hof. Ein brühiger Wasserspiegel grinst mich an.

Mit einem improvisiert verlängerten Gartenhaken stochere ich 2,50 m tief. Was da so alles hochschwimmt, wäääh. Flugs die lange Leiter aus der Garage geholt und in den Schacht gestellt, hups,...die Leiter taucht knietief ins Wasser. Ich steig runter, fummel etwas mit dem Haken rum, ertaste in der trüben Brühe das Ablaufrohr, aber irgendwie ist das halt alles Nichts. Das analytische Fummeln sagt mir aber, dass das Ablaufrohr jedenfalls verstopft ist. Okay,...man könnte mal den Wasserspiegel messen, und dann die Kellerbodenhöhe.
Ja, liebe Kinder, da weiß man warum man Physik und solche Sachen in der Schule hatte, und dann ist man auch froh um die Prägung im elterlichen Handwerkerhaushalt. Und, siehe da, das Wasser im Aussenschacht steht höher als der Boden des Kellers. Ich folgere messerscharf, das Wasser drückt zurück. Und alles Abwasser was aus dem Haus kommt (Dusche, Spülen, Toilette,...) hat unmittelbar Auswirkung auf die Brühe im Keller. Na lecker.
Nun, gut dass unser Nachbar Hans bei den Stadtwerken war in seiner aktiven Zeit. Mit seiner begleitenden Expertise öffnen wir die Schächte in der Strasse. Wir lassen Wasser in verschiedene Schachte laufen und grenzen so die Ursache ein. Das Ziel ist es herauszufinden, wo der Butzen hängt, wo ist die Verstopfung, wo muss man ran?
Und tatsächlich wir kommen dem Ganzen auf die Spur. Das Rohr zwischen dem Schacht in unserem Hof und dem nächsten Strassenschacht ist zu. Das bekommen wir jedoch mit unseren "Spielzeugwerkzeugen" ganz sicher nicht frei.

Was tun? Eine Telefonralley begint, Notdienst Baubetriebshof wegen des Abwassers,... den gibts nicht, Stadtwerke haben Notdienst, aber sind nicht für Abwasser, sondern für Frischwasser zuständig. Integrierte Leitstelle, die koordinieren auch die Feuerwehr. Die Feuerwehr könnte kostenpflichtig den Keller auspumpen. Das wollen wir aber nicht, da damit die Ursache nicht behoben ist. Erneut die Stadtwerke, der Kollege ist sehr bemüht, ruft den Spülwagenfahrer des Baubetriebshofes privat an. Schlußendlich rücken die Kollegen der Baubetriebshofes mit dem Spülwagen aus.

Unsere analytischen Vorarbeiten helfen. Mit den richtigen kraftvollen SpülSchlauchGerätschaften wird der tiefsitzende Schmodder freigespült. In verschiedene Rohre wird reingepült,... einschließlich des Schachtes im Keller. Überall läuft nun klares Wasser, Ursache behoben. Bleibt dann noch den Keller vom Kloakenwasser zu reinigen, alles ausspritzen, Keller "rausspülen".

So, ich hatte meine heutige Pfingstpredigt ganz ohne Gottesdienstbesuch. Ich lerne daraus, geh den Dingen auf den Grund, bastle nicht nur an den Symptomen rum, schau tiefer, geh TiefSehTauchen. Das gilt nicht nur für technische Probleme, sondern auch in Beziehungen, in der Familie, in Organisationen, in der Kirche..... Das ist kurzfristig aufwändig, aber langfristig absolut lohnend. Das schreibe ich mir neu hinter die Ohren. Danke für die sinnliche Erinnerung an diese wichtige Perspektive an den Geist der für das Pfingstfest steht.

O komm du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein.
O komm du Geist der Wahrheit und kehre bei uns aus.

Frohe Pfingsten allseits.

Samu wackelt voraus, schnüffelt mal rechts mal links. Ich gehe gedankenverloren hinterher über den Kienberg. Eigentlich wollte ich ja präsenter mit ihm laufen, aufmerksamer, ein wenig Bindungsübungen unterwegs. Heute am Ende dieser letzten Aprilwoche ist mein Ehrgeiz diesbezüglich gering, mein Energielevel zeigt Ladebedarf, bitte auf Energiesparmodus schalten. Freitag abend, irgendwie abgenudelt und müde.

Einsamkeit ist quasi ein Schmelzofen der Veränderung. ... Einsamkeit bedeutet im Wesentlichen, einfach nichts zu tun.
John Ortberg

Kalt ist es geworden, ich habe noch vor der Hunderunde den Kachelofen angefeuert. Immer zum Monatswechsel schreibe ich einen WolleBlog. Das möchte ich jetzt noch tun. Es gibt Zeiten, da bin ich voller Gedanken, Ideen, brauche nur anfangen zu schreiben und es fließt. Doch jetzt sind Hirn und Seele irgendwie im Ruhemodus und signalisieren mir keine grosse Gesprächigkeit. Dennoch meine ich, dass ich doch was schreiben möchte oder sollte.

Der Druck der Geschäftigkeit ist wie ein Bann.
Sören Kierkegaard

Da waren schon verschiedene Gedankenblitze in diesen Tagen.
Zum Beispiel die Beobachtung, dass wir in Zeiten leben, wo so viele Menschen und Gruppierung etwas fordern, von der Politik, von der Gesellschaft, vom Leben, von Gott der gut zu mir sein muss...von wem auch immer. Ich meine, dass ein Kernaspekt einer funktionierenden Gesellschaft, eines Betriebs, eines Vereins, einer Familie, einer Partnerschaft andererseits immer sein muss, dass Frau und Mann sich einbringt, Verantwortung übernimmt, sich einbringt, gibt und nicht nur fordert und nimmt. Bärenstark wäre, wenn jedefrau und jedermann ein wenig mehr gibt als sie oder er nimmt.
Dann war ein Gedanke an meinen Schwiegervater, der sich nach dem Krieg als Haumeister im Vordersteinwald weigerte die heutige Großvatertanne, die mächtigste Tanne des Nordschwarzwald zu fällen. Er ist ein Vorbild für mich, wenn es darum geht, eine eigenständige Haltung zu leben. Ich wollte über Charakter und Zivilcourage schreiben und darüber aus welchem Holz Frau und Mann ist.
Naja, irgendwie fehlt mir jetzt der Flow diese Gedankenblitze weiter zu entwickeln. Ich werde dafür an einen Song von Werner Schmidbauer erinnert, den ich manchmal singe.

Einfach nix, einfach nix, einfach nix, was will ich mehr.

Ein Song dessen Text immer ein Lächeln bei den Menschen auslöst. Einfach nix, ein schöner Gedanke, was will ich mehr. Na wenn der Gedankenblitz kein deutlicher Fingerzeig ist. Dann möchte ich das mal leben, schaffe es jedoch auch nicht einfach an der Stelle abzubrechen und sofort nix zu tun. Jawohl, ich werde den WolleBlog mit schlauen Gedanken zu Ende bringen. Schließlich habe ich ja gute Zitate gesammelt wie dieses.

Ruhe ist unsere Rettung. Stell dir vor du tust nichts und die Welt dreht sich weiter.
Tomas Sjödin

Aber nun wirklich Schluß und ENDE, denn ein grosser Denker meint

Mein Rat ist es daher, nichts zu forcieren und alle unproduktiven Tage und Stunden lieber zu vertändeln und zu verschlafen, als in solchen Tagen etwas machen zu wollen, woran man später keine Freude hat.
Johann Wolfgang von Goethe

Erster Sommerzeit-Sonntagmorgen. Vogelstimmen, emsiges Frühlingstreiben, hoch über uns ein paar Kondenzstreifen am diesig-blauen Himmel, Kirchenglocken, das Brummen eines Sportflugzeuges. Nach einer Frostnacht Frühstück auf der Terrasse.
Die letzte weisse Pracht des Winters 2020/2021 erlebt auch hier im Nordschwarzwald in diesen Tagen ihr letztes Stündchen.

Unser neues lässt morgens keine Alternative zu, so habe ich heute morgen den Hausberg umrundet. Kienberg, Rosenweg und Skulpturenweg, Kleinode direkt vor der Haustüre.

Meine Gedanken und Empfindungen gehen auch spazieren und ich sinniere vor mich hin. Was steckt alles hinter diesem Rosenweg und dem Skulpturenweg?

Menschen waren voller Ideen und Phantasien, sie waren begeistert von ihren Gedanken. Doch es blieb offensichtlich nicht bei Gedankenspielereien, beim Konjunktiv.

Leidenschaft, Begeisterung gepaart mit Ausdauer, Beharrlichkeit, Schaffenskraft haben dafür gesorgt, dass ich heute morgen hier diese Kunstwerke wahrnehmen kann.
Am Wegesrand des Lebens liegen so viele ungelebte Ideen. Hier wurde aus einer Idee, einer Vision Wirklichkeit. Menschen sind ausdauernd dran geblieben, haben ihre Visionen ernst genommen und umgesetzt.

Es gilt - wer das Ziel nicht kennt, kann den Weg nicht gehen. Es gilt auch - ein gutes Ziel kann unglaublich viel Kraft und Energie freisetzen. Wenn ich für eine Idee, für ein Ziel brenne, wenn ich mich darin ernst nehme, dann lässt sich Unglaubliches bewegen. Noch mehr, wenn mann damit nicht alleine ist und bleibt. Fokusierung, Ausrichtung, Zielorientierung. Das bündelt Energie und Kräfte.
Deshalb arbeite ich im Coaching nur nach sauberer Auftragsklärung und kraftvollen, gewollten, eindeutig formulierten Zielen. Wenn Auftrag und Ziel geklärt ist, kommt Licht und Klarheit in die Prozesse.

Dieser Tage war ich in einem inspirierenden Gespräch rund um diesen Themenkomplex. Wir haben uns darüber ausgetauscht, wie man seine Lebenszeit verbringt. Ob Lebensenergie, Zeit, Auseinandersetzung, Gedankenkraft eher in Richtung Abnutzungskämpfe geht, oder eben Richtung guter Ziele.

Abnutzungskämpfe, immer wieder dieselben Diskussionen, keine wirkliche Bewegung. Sich im Kreis drehen, mal ein wenig vorwärts, seitwärts, rückwärts. In der Summe ist man erschöpft, ausgepowert. Alles dreht sich, nichts bewegt sich.

Wohin fließt Lebensenergie in diesen Tagen? Auch in diesen Pandemiezeiten gibt zahlreiche Gelegenheiten, Diskussionen, endlose Abwägungen, Gedankenspiele und Auseinandersetzungen um sich in Abnutzungskämpfen auszupowern. Das www., Social Media, TV ist voller Informationen, Diskussionen,... Impfen, Testen, Statistik, Lockdown, Lockerungen..... Alles wichtig, irgendwie berechtigt, jedoch, bringt es mich weiter?

Dieser Tage, ein Coachingsetting, es geht um Konkretes, um Ehe, um die Kinder, Haus, Umzug, Arbeit, Finanzen. Eigentlich genügend Themen die angegangen werden müssten, nein die angegangen werden müssen! Es geht um ist Existenzielles.
Doch hoppla - da gibt es neue Mails über Endzeitszenarien in Zusammenhang mit der Pandemie ..... Und - schwupp beschäftigt man sich mit Dingen, die man Null beeinflussen kann, und die, wenn mans mal ganz runterbricht, mit dem eigenen Leben konkret ziemlich wenig zu tun haben.
Abnutzungskämpfe, .... kosten viel Energie, Zeit, rauben Kraft und bringen wenig bis nichts.

Wir gehen in die Osterwoche. Eine Skulptur erinnert mich immer wieder an ein Kreuz, an das Kreuz. Ostern.... das christliche Kreuz gibt Zeugnis von Jesus Christus, dem Gottessohn. Zeugnis von einem, der mit einem klaren Auftrag und Ziel diesen Planeten betreten hat. Er kam um zu suchen und zu finden was verloren war. Weil seinen Vater und ihn eine unfassbar starke Liebe mit seinen Geschöpfen, mit diesen Menschen, verbindet. Die Verbindung stand damals und steht heute in diesen Panemiezeiten und für alle Zeiten.
Jesus Christus verlor sich nicht in Abnutzungskämpfen. Er war fokusiert, war sich seines Auftrages bewusst und ging zielorientiert seinen Weg. Einen Weg, auf dem ihn seine Gegner in einem scheinbaren Ende zu Tode folterten an einem Kreuz. Er folgte seiner Berufung, liess sich von nichts abhalten.

Jesus Christus als Schöpfer ist durch Kreuzigung und Tod nicht aufhaltbar, Ostern steht für Auferstehungshoffung, Neuschaffung, Neuwerdung.
Sonntagmorgenspaziergang,...... ich möchte Abnutzungskämpfe entlarven, und dann reduzieren, vermeiden. Es bringt nichts. Dafür streben nach guten Zielen, nach guter Ausrichtung, nach Berufung.

Das löst inneren Stress aus. Der Satz ist ein Schlag ins Gesicht meiner Befindlichkeit. "Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem anderen dient." Die Worte und die Botschaft wirken.

Sie trifft mich in meiner Situation. Ich habe aktuell echten Unfrieden mit einem sehr nahen Menschen, es zieht sich seit Tagen. Ich fühle mich ungehört, unverstanden, fühle mich im Recht und knalle dem anderen meine Wahrheit ins Gesicht. Das hilft nicht mal kurzfristig. Jeder Gesprächsversuch vertieft eher den Graben. Und jetzt hat der alte Mann aus dem 1. Jahrhundert die Traute mir zu sagen, dass ich mich zügeln soll. Meinen Egotrip bremsen, Abstand nehmen und an das Ganze, an den anderen, an das Wohl des Anderen denken soll. Was hilft uns beiden, wenn der Ärger verraucht ist? Bow, echt, das ist wahnsinnig herausfordernd.

Ich lese noch mal eine andere Übersetzung des Satzes. "Denkt nicht immer zuerst an euch, sondern kümmert und sorgt euch auch um die anderen." Es wird nicht besser durch die modernere Übersetzung. Der alte Mann meint wohl echt, dass ich vom anderen, von den anderen her denken soll. Was tut dem anderen Menschen, dem Ganzen gut? Was fördert das Gemeinwohl? Da muss ich wohl noch eine Hunderunde übern Berg drehen und mich echt besinnen, vielleicht sogar in meinem Verhalten, meiner Kommunikation bewusst Um-Kehren.

Theoretisch scheint das ja irgendwie klar. Da war doch was im Philosophieunterricht. Der kategorische Imperativ von Immanuel Kant den jeder Schüler kennenlernt, „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Und die goldene Regel die Allgemeingut ist, "behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst." Beides irgendwie ziemlich plausibel. Meine Gedanken gehen schließlich noch zur biblischen Empfehlung bzw. der biblischen Lebensordnung, dem Gebot,... den Menschen neben mir so zu lieben wie mich selbst.

Meine Gedanken laufen, ein kreativer Prozess setzt ein. Mir liegen dazu jetzt kluge Ausführungen auf den Lippen. Wenn diese Empfehlungen, Weisheiten, Gebote konsequent befolgt würden, wie würde unsere Welt aussehen, was würde das für die Kommentarspalten in den Sozialen Medien bedeuten,.... für das Miteinander in der Kommune, Vereinen und Betrieben, in den Kirchen? Konsequent vom Nächsten her, vom Gemeinwohl her Denken, Handeln, das Leben gestalten. Was heißt das jetzt in Coronazeiten, z.B. für den verantwortlichen Umgang mit sinnvollen Regeln, was heißt das für die Impfthematik? Vom anderen, vom Ganzen, vom Gemeinwohl her Denken und Handeln?

Der Satz hat aber mich getroffen,.... und wahrscheinlich sollte ich bei mir bleiben. Blick in den Spiegel, den einzigen Menschen auf den ich Zugriff habe und den ich ändern kann bin ich selbst. In dem Sinne brauche ich manchmal einen Schlag ins Gesicht um wach zu werden.

Dieser Tage ging mir das Volkslied "Im Märzen der Bauer" immer wieder durch den Kopf. Mein Gedanke war, dass der Bauer im März viele vorbereitende Arbeiten macht, die eben in dieser Jahreszeit gemacht werden müssen. Pflügen, Umgraben, Düngen, Säen, Pflanzen, Bäume rückschneiden..... das Lied erzählt davon. Alles unspektakuläre Arbeiten. Es wird nicht geerntet. Alles Vorbereitungsarbeiten. Fakt ist aber, wenn diese Arbeiten nicht gemacht werden, wenn der Bauer nur die Hände in den Schoß legt und wartet, dann wird es auch keine Ernte im späteren Jahr geben. Und, der Bauer wird das ernten was er sät. Alles hat Zusammenhänge und alles hat seine Zeit. Total banal, und total wichtig.

Wie ist das in meinen Beziehungen? Wenn ich mich vom Schlag ins Gesicht meiner Befindlichkeit erholt habe. Wenn ich ausführlich in den Spiegel geschaut habe. Wenn es gelingt, dass ich die emotionale Zugbrücke über dem Burggraben um mein Ego wieder langsam runterlasse, dann erkenne ich. Was ich säe ernte ich.

Wenn es mir tatsächlich gelingt, Saat Richtung dem Wohl des anderen auszusäen, sozusagen auf das Ziel gemeinsame Frucht und Ernte zu setzen, konsequent, dann hat der Schlag gute Wirkung gehabt. Ich mach mich auf dem Weg, meine Befindlichkeit wird hinterherkommen.

@Gott, Paulus für die hilfreiche Lebensempfehlung.
@Martin Luther, danke fürs Übersetzen

Das war gestern, zauberhafte Winterlandschaft, Schneekunst, weiße Romantik. Alles wundervoll weiß zugedeckt. Die Welt in Ordnung. Zuckerguß drüber, alles etwas rosa einfärben,...eine TraumWelt.

Samstag morgen, ich habe mir einen Ruck gegeben. Auf zum Bäcker. Statt zauberhaft verschneiter Landschaft herrscht ungemütliches Grau-Weiß-Naß. Ich stapfe durch den Park, Kapuze überm Kopf.

Eine schön gezuckerte Schneelandschaft blendet und täuscht Reinheit vor. Wie ist das noch mal, wenn alles von einer Schneeschicht überzogen ist? Alle unerledigte Arbeit im Garten wird eingepudert. Was unaufgeräumt herumsteht bekommt den Hauch von Schneekunst. Unerledigtes, Unaufgeräumtes, Unschönes versinkt mehr und mehr im Weiß. Süsses Vergessen und Verdrängen.
Tauwetter bringt alles wieder zu Tage und ans Licht.

In dem Sinne ist wohl heute ein ehrlicher, ein ungeschminkter, ein dreckiger Tag. Wie aus dem Bett gekrochen und nackt in den Ganzkörperspiegel geschaut. Es ist wie es ist. Was unter der Schneedecke schlummerte wird offensichtlich. Hier eine weggeworfene Maske, dort ein Kinderbesen, Zigarettenstummel, Verpackungsmaterial, Glasscherben.

Heute wird keiner groß den Besen schwingen und sauber machen. Nicht bei diesem Regenwetter. Aber es liegt deutlich in der Luft, es ist geradezu greifbar. Nach dem Winter, nach dem Schnee ist Aufräumen, Reinemachen angesagt. Müll, Hundehaufen, Streugut, abgebrochene Äste,.... alles wird weggeräumt und sauber gemacht.

Der Sand auf dem Spielplatz wird durchgerecht, die Spielgeräte gereinigt, geprüft und für Frühjahr und Sommer gerichtet. Und dann, wenn auch noch die tiefstehende Frühjahrssonne in die Wohnungen scheint. Wenn die verschmierten Fenster entlarvt werden, Spinnennetzchen und Staubmäuse sichtbar werden. Dann kommt unweigerlich der Frühjahrsputzreflex.

Hinschauen. Wahrnehmen. Konsequenzen ziehen. Es ist jedes Jahr dasselbe. Nach dem Schnee, nach dem Winter kommt das Aufräumen, Ordnung schaffen, den Dreck wegräumen. Das ist quasi ein Automatismus, eine Selbstverständlichkeit.

Wie ist das überhaupt mit dem Lebensmüll, mit dem was unter der Oberfläche schlummert? Mit Unaufgeräumten, Verdrängten, dem Ungeklärten und Schmutzigen im Leben? Mit dem was man nicht sieht, dem was so verborgen in einem steckt, dem Sand in den Beziehungen. Mit dem um das wir letztlich nur selbst wissen wenn wir in den Spiegel schauen.
Der Schnee des Lebens ist Vergessen, Verdrängen, Umdeuten, Ablenken, Posen, den Schein wahren..... Auch für diese Art des Mülls ist regelmässiges Aufräumen unglaublich wichtig. Was man verdrängt oder verbirgt, bindet ungeheure Kraft und raubt Energie. Verdrängtes und Verstecktes ist immer verbunden mit Angst und der Sorge, das Tauwetter des Lebens könnte Dinge ans Licht bringen die einem auf die Füsse fallen.

Hinschauen. Wahrnehmen. Konsequenzen ziehen. Leben ordnen. Es kann ungeheuer befreiend sein, wenn Ungutes sichtbar wird, man sich stellt und sich dann irgendwann auch ans Aufräumen macht. Zwischendurch tuts richtig weh. Manchmal ist es hilfreich, konfrontiert zu werden. Wenn jemand den Spiegel vorhält, wenn Gottes Frühlingslichtstrahl uns trifft. Wenn jemand den Mut hat aufzudecken, die Schneedecke wegzuziehen. Die Wahrheit macht frei.
Warum nicht das Tauwetter als Anlass nehmen und die geschenkte Zeit des Lockdown nutzen, um im eigenen Leben aufzuräumen? Sich dem stellen was ist. Es tut unglaublich gut, Altlasten zu entsorgen. Aufräumen, Entrümpeln, Entsorgen, Loslassen, Versöhnen, Vergeben......befreit. Und doch sind die Kräfte des Verdrängens, Verbergens ungeheuer groß und mächtig, Täuschen, Tarnen, .... da werden auch grosse Besen ausgepackt und die Teppiche zum drunterkehren ausgerollt. Die Bindekräfte des Dunkels sind gewaltig. Und doch.....

Die Wahrheit hat ein fröhlich Antlitz, so hat es der Schweizer Reformator Ulrich Zwingli vor Jahrhunderten formuliert.
Wie schön und befreit und leicht ist ein aufgeräumtes Leben. Es tut gut, befreit und entlastet dem Frühling entgegen zu gehen.
Die Kraft des Frühlings ist schon zu spüren, erste Knospen sind da. Ist es nicht wunderbar, an diesem Tag zu Sein? Es ist ein Privileg zu leben.

facebook.com/wolfgang.gunther.35/videos/972356466195649

Auf dem Rückweg vom Bäcker höre ich Vogelstimmen. Wohltuend.
Alles im Leben hat seine Zeit, auch das Tauwetter. Das nasse Wetter mit Regen füllt nebenher die Grundwasserspeicher, der Wald wird mächtig gewässert, prächtig.

Vom Wintersport vestehe ich viel. In ARD und ZDF habe ich zahlreiche Wintersportveranstaltungen angeschaut, Experten-Analysen aufgesaugt. Ich habe von früher erzählt, wo wir als die Hügel hoch getreppelt sind und dann die Schanze runter gefahren sind. Also, ich bin informiert, habe Erfahrung und weiß Bescheid. Jedoch - hinsichtlich heute und hier hat sich mein Fitnesszustand seltsamerweise durch die Sportveranstaltungen am Bildschirm nicht verbessert und auch der Sauerstoffgehalt meiner Lunge nicht. Da kommt doch die Frage auf, welche Weichen ich eben bezüglich meiner Fitness konkret für 2021 stelle.

Jahreswechsel, zurückschauen, was war, wo komme ich her, in meinen Beziehungen, Ehe, Familie, Berufliches, aber auch gesundheitlich, wirtschaftlich, mental? Es ist tatsächlich spannend zurückzuschauen. Ja es war Corona, aber damit ist nicht das ganze Jahr 2020 erzählt.
Ich gebe an der Stelle Auszüge aus meinen Neujahrsgruss weiter, den ich an einige berufliche Weggefährtinnen und Weggefährten geschickt habe.
"Mir ist danach euch ein paar Worte zu schreiben, jetzt zum Jahresbeginn 2021. Auch unter dem Eindruck meines persönliches Jahreswechsels. Gestern habe ich mit meiner Frau Christel Jahresrückblick gemacht, ausführlich und im Detail,…. und siehe da,....es gab so Vieles, zum Nach-denken, zum Trauern und Abschied nehmen, zur Freude und zur Dankbarkeit, da war Erfolg und Scheitern, Entwicklung und Lernen, Erkennen von Führung und Bewahrung, von Gnade und Geschenk, ...... und dann war auch manches coronageprägt.

Ich wünsche euch allen das Allerbeste für 2021. Das Allerbeste im Sinne dessen, was euch nachhaltig gut tut. Ich muss unwillkürlich an den biblischen Satz aus Römer 8,28 denken, dass denen die Gott lieben alle Dinge zum Guten, sogar zum Besten (wie oft übersetzt wird) dienen.
In diesem Sinne ... alles Gute für euch. Das Jahr 2021 ist noch unbeschrieben, ich wünsche euch gute persönliche Wege.

Das Video von Annie Heger aus Berlin ist mir am Altjahrabend 2020 begegnet. Zeitloser Text, inspirierende Ein-Sichten, hinein in unsere Zeit. Auch für 2021 kann der Text von Dietrich Bonhoeffer Von guten Mächten treu und still umgeben inspirieren und Halt und Mut geben.

Als unser Freudenstädter Dekan Harald Stumpf vor einigen Jahren seine Abschiedspredigt in der Stadtkirche Freudenstadt hielt auf dem Weg zur Prälatur nach Heilbronn zitierte er den Schweizer Theologen Karl Barth mit dem Satz 'Es wird regiert'. Karl Barth sagte diese Worte am Vorabend seines Todes: 'Ja, die Welt ist dunkel. .... Nur ja die Ohren nicht hängen lassen! Nie! Denn es wird regiert, nicht nur in Moskau oder in Washington oder in Peking, sondern … hier auf Erden, aber ganz von oben, vom Himmel her!' –

In diesem Sinne – bleibt bei Trost! (wie es mir eine meiner Nichten in ihrem Weihnachtsgruss mit wunderbarem Sprachgefühl wünschte)"

"Du hast nicht alles in der Hand. Aber deine Zukunft." So wirbt ein grosser Anbieter von Finanz- und Vorsorgelösungen, mit schönen Fotos von schönen erfolgreichen Menschen. Und da könnte jetzt der ganze Coaching-Selfmade-Werkzeugkasten aufspringen und ich könnte das Lied der Selbstoptimierer 2021 singen.
Auch im Rückblick auf 2020 bleibt jedoch die Erkenntnis "Du hast nicht alles in der Hand. Auch nicht deine Zukunft."

Ich werde beim Schreiben an den Grundsatz der Benediktiner erinnert, ora et labora, Beten und Arbeiten. Ja, nach Vermögen alles tun für ein gutes Jahr 2021, für sich und andere, und Ja, gleichzeitig auch immer bezogen bleiben auf den grösseren Kontext und sich vergegenwärtigen, dass man vieles nicht in der Hand hat und die wesentlichen Dinge im Leben Geschenk und nicht Verdienst sind. Ich gehe davon aus, dass wir die Begrenzung unserer Möglichkeiten im 2. Coronajahr noch häufig erleben werden, auch als hochmoderne Gesellschaft.

Dennoch 2021 ist da und mag kommen. Mir bringen immer wieder auch die Lebenserfahrungen der Vorgenerationen Kraft und Perspektive. So sagt etwa der verstorbene Horst Klaus Hoffmann, den ich als junger Mann während eines mehrmonatigen Aufenthalts in der Kommunität Offensive junger Christen kennenlernte.
Mut kommt aus der Vergangenheit. Vergangenheit und Zukunft gehören zusammen. Klarheit kommt aus der Stille, Mut aus der Geschichte, Freude aus der Zukunft.
Die Geschichte der OJC macht seit 1968 exemplarisch deutlich, wie diese Gedanken in den gelebten Alltag der Kommunität im Odenwald verwoben sind und wie existentiell wichtig es für Menschen ist gemeinsam als Gemeinschaft unterwegs zu sein.

Vielleicht erkennt der eine oder die andere im Rückblick auf 2020 oder noch weiter-rück-blickend rote Fäden im Leben und schöpft Vertrauen. Dennoch bleibt der Weg 2021 wieder spannend und darf gelebt werden, mit allen Unsicherheiten.
Es ist wahr, was die Philosophie sagt, dass das Leben rückwärts verstanden werden muss. Aber darüber vergisst man den andern Satz: dass vorwärts gelebt werden muss. Sören Aabye Kierkegaard

Es ist eine göttliche Gnade, gut zu beginnen. Es ist eine größere Gnade, auf dem Weg zu bleiben und den Rhythmus nicht zu verlieren. Die Gnade aller Gnaden ist es aber, auch zerbrochen und erschöpft vorwärts zu gehen bis zum Ziel. Dom Helder Camara

Blick aus dem Fenster, und....tatsächlich zuckert der Schnee in diesem Jahr pünktlich zum Weihnachtsmorgen hier auf 800 m im Schwarzwald die Landschaft ein. Dieser Blick nach draussen in den ersten Schnee ist so vertraut und doch auch dieses Jahr überraschend schön. Das es der Weihnachtsmorgen ist, mit all der gegebenen Musse macht den Eindruck noch stärker.

Egal was war, die weiße Schneedecke hat etwas Versöhnliches, Zudeckendes. Ich höre wieder die Geschichten, dass man als Kind wohl den Schneeanzug unter dem Schlafanzug getragen hat, in Erwartung des ersten Schnees, und ich erinnere mich. Der Spontanreiz ist da und ich gehe barfuss auf die Terrasse.

Winterlandschaft, faszinierend, rein, alles zugedeckt unter einer weißen Schicht. Es ist ruhig, Geräusche sind gedämpft. Ob die Terrasse gefegt ist, ob alles gut verräumt wurde vor dem Winter, egal. Die Schneedecke pudert alles zu und inspiriert gedanklich.
Dennoch bleiben auch die Wirklichkeiten. Später am Tag Besuch im Pflegeheim, zum Glück zu Zweit.

Wir stellen uns in die Schlange. Gut, dass es die Besuchs- und Begegnungsmöglichkeit gibt, dass darum durchaus streitbar gerungen wurde. Der Preis dafür ist ein aufwändiges Konzept mit Schnelltestung und Sicherheitsstandards, und für alle ein erhöhter Aufwand. Beim Warten auf das Testergebnis empfinde ich Dankbarkeit, dass wir unsere Mutter und Oma besuchen können, dass wir anders als im Frühjahr nun andere Standards haben. Stark ist die Professionalität der Einrichtung und das Engagement der Mitarbeitenden in dieser Zeit. Die Krise bringt zahlreiche Alltagshelden hervor.

Alles wirkliche Leben ist Begegnung, so sagt es Martin Buber. Begegnung will gelebt werden, so wie es eben möglich ist. Diese Begegnung mit meiner Mutter ist durchaus besonders. Weihnachtsbesuch in Schutzkleidung, mit Handschuhen und Masken. Sie muss wegen einer Infektion auf der Station im Zimmer bleiben, begegnungsreduziert. Und dennoch, die vielen kleinen Fotos und Videos von der Familie, die wir auf dem Handi dabei haben, zaubern ein Lächeln in ihr Gesicht. Es ist es wichtig zusammen zu sein, auch wenn es anders ist. Weihnachtsgeschichte, Lieder, Erinnerungen, Begegnung. Alles wertvoll, auch wenn der liebevoll gebackene Stollenkonfekt und der Kuchen fast schon zu viel für sie ist.

Die Weihnachtstage und die Tage "zwischen den Jahren" sind schon immer eine besondere Zeit, ob man die Zeit bis zum 06. Januar nun als Rauhnächte und heilige Tage interpretiert. Man spürt in diesen Tage bisweilen verstärkt seine Herkunft, sein Gewordensein, bilanziert Gewesenes, das vergangene Jahr und richtet sich aus auf das was kommt. Der eine oder die andere spürt in besonderer Weise auch die eigenen Sehnsüchte und Bedürfnisse.

Es zieht uns alle auf die Hochstrasse, in die Winterwunderwelt. Im Nachklang mache ich mir noch mal etwas Gedanken zur Faszination des Schnees und dessen "Zudeckeigenschaften". Ich erlebe in diesen Weihnachtstagen Beides. Das tiefe Bedürfnis nach Zudecken, danach alles was war und ist Einzuhüllen in diesen Raum des Zusammenseins, der Familie, des Aufgehobenseins. Ankommen, Sein-Dürfen, Daheim sein. Das bildet die weiße Schneedecke wunderbar ab und erinnert mich daran. Und ich erinnere mich an ein Biblisches Wort, das es in etwa so ausdrückt, dass Liebe, tragende Beziehungen das Potential haben, vieles zuzudecken, Verwundetes, Brüche, Unfertiges.

Andererseits gibt es auch das Bedürfnis nach Aufdecken, Reden über das was einen beschäftigt, was man mitbringt. Die eigenen Geschichten und Erlebnisse mitteilen, wahrgenommen werden in dem was man empfindet und mit sich trägt. Aufdecken auch, was einen schlummernd und doch auch immer wieder prägend begleitet. Es ist ein Geschenk wenn es gelingt, das eigene Herz zu zeigen einerseits und wenn diejenigen wach zuhören, die auch die richtigen Adressaten sind. Wenn es gelingt zu einem guten wertschätzenden Austausch zu kommen, ist das von unschätzbarem Wert. Alles wirkliche Leben ist Begegnung.

Aufdecken zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist unglaublich wichtig, um nicht dauerhaft Ungeklärtes in sich zu tragen. Und wenn es dann gelingt, in der Begegnung zu einem Zudecken im besten Sinne zu kommen, zu Versöhnung und Vergebung, wenn man die Kraft der gemeinsamen Wurzeln neu spürt, dann sind das wirkliche Begegnungshöhepunkte. Dann wird es Licht in Beziehungen und neue Perspektiven entstehen. Dann bekommen Potentiale neue Kraft. Spannend, dass der zudeckende Schnee in seiner Reflektionskraft das Licht deutlich heller strahlen lässt und das Tageslicht verlängert.

Zudecken und Aufdecken, ich gehe mit diesen Gedanken weiter. Alles ist auch etwas eine Frage des Kairos, des richtigen Zeitpunktes. Wann ist was dran? Begegnung heißt auch wach bleiben, und die günstigen Zeitpunkte und Zeiträume zu nutzen. Diese Tage zwischen den Jahren sind auf jeden Fall eine besondere Zeit, die sich geradezu für wesentliche Begegungen anbieten.

Die Kamerafunktion des Handis hilft mir häufig, genauer hinzusehen. Eindrücke in ein Bild fassen, Kleinigkeiten entdecken und festzuhalten. Und auch dieses gilt, ich fühle mich oft geflutet von Bildern. Manch ein Foto ist auch einfach nur inspirierend. Bei der Gelegenheit, frohe Weihnachten, Gott ist in der Welt, so wie sie ist.

Ein Bild hat sich mir gestern noch eingebrannt. Er hat aus dem Krankenhaus Grüsse gepostet, 5-Tage-Bart. Mein rasches, völlig überrumpeltes Nachhaken bringt die Erklärung ebenso rasch. Er hätte einen Schlaganfall gehabt. Mann o Mann. Natürlich geht unverzüglich ein Genesungswunsch durchs Netz in die Nordstadt, und in meinem Kopf rappelt es.

In diesen Tage habe ich, warum auch immer, innere und äussere Bilder meiner Geschlechtsgenossen gesammelt. Etwa am Sonntag auf dem Krippenweg im Murgtal/Mitteltal. Ein Mann hat diesen bärenstarken und inspirierenden Krippenweg, der ins Weihnachtsgeschehen ganz sinnlich hinein nimmt, initiiert und geprägt. Männer haben überall auf dem Weg mit Hand angelegt. Etwa auch bei den Engeln die am Kräuterweg stehen. Beim schwarzen Schaf denke ich wie selbstverständlich daran, dass es wohl ein männliches Schaf ist. Männer tragen auch viel zu Unrecht, Gewalt, Leid bei.

Dann bin ich im Morgenlicht unterwegs und mich begleitet der Wort-Drei-Klang "man at work". Letzter Schliff an der Strassendecke, es wird geteert. Die Strassen auf denen wir fahren, die Gebäude, in denen wir wohnen und arbeiten, sie sind weitestgehend von Männern geplant und gebaut. Danke liebe Männers, ihr tragt viel Gutes zum Gemeinwohl bei. Nebenbei kommt mir die Frage nach der Frauenquote auf Baustellen, aber das ist wohl keine gesellschaftlich relevante Überlegung. Halt mal, ich finde es ist ein Thema. Männer sind in manchen Bereichen stark dominierend, woanders zu wenig präsent, etwa als Erzieher in Kindergärten, Grundschullehrer, in der Pflege, im Sozialwesen. Die Quote, die Quote,... in vielen Bereichen ist der Anteil weiblicher und männlicher Mitarbeitenden doch arg ungleich. Denke kurz an die ausländischen Niedriglöhner in der Fleischindustrie die unser Billigfleisch von der Schlachtung bis zum sauber verpackten Sonderangebot bearbeiten. Es gibt wohl Entwicklungsmöglichkeiten.

Während ich diese Gedanken etwas bewege, fällt mir vieles auf, wo Männer Spuren hinterlassen. Bei einer grösseren Waldrunde mit meiner Frau und Gasthund Jack stosse ich immer wieder auf männliches Wirken und freue mich daran, bin schon auch stolz auf das was Mann so alles bewegt, gestaltet und bewirtschaftet.

Der Post aus dem Krankenhaus lässt mich nicht so richtig los. Es macht mich betroffen. Die Gewichtungen des Lebens relativieren sich so rasch. Es ist Advent, Vorweihnachtsgeschäft und viel kirchliche Aktivität, und dann einen Moment später ist eben die Gesundheit ganz zentral.
Mit diesen Gedanken lege ich eine Fertigpizza in den Ofen, mache den Kachelofen an, lasse Wasser ein und sinniere kurz später Pizza-essend-in-der-Wanne-liegend-ins Feuer-schauend über Männer und ihre Gesundheit.

Ich schaue im Männergesundheitsbericht nach, Faktencheck: Männer sind das kränkere Geschlecht. Sie sterben durchschnittlich 6,5 Jahre eher als Frauen. Sie begehen viermal öfter Selbstmord und sterben oft schon in jungen Jahren vor allem an Krankheiten, die durch gesundheitsschädigendes Verhalten bedingt sind (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenkrebs, Unfälle). Mannsein ist in unserer Gesellschaft einer der riskantesten Gesundheitsfaktoren. Männer sind weniger bereit, sich um ihre Gesundheit zu kümmern, und nehmen nur selten ärztliche Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch. Es ist die Spitze des Eisberges, knapp 8000 Männer nehmen sich jährlich das eigene Leben in Deutschland. Das betrifft, es gibt wohl Entwicklungspotential.

Mann o Mann. Bilder einer Woche, etwas unsortiert. Das Leben hat Mann nie im Griff, das erlebe ich jeden Tag. Und dennoch kann Mann was tun. (Männer-)Freundschaften, gute Partnerschaft, Waldrunden, Musik, sinnvolles Tun und vieles mehr tut gut und bringt auch andern was. Danke übrigens lieber P-Mann vom städtischen Bauhof für den tollen rustikalen Adventskranz am Kreisel. Kreative Gestaltungskraft. Man at work.

Das letzte Hemd hat keine Taschen. Tod und Sterben begleitet mich auch diese Woche. Heute um 11.55 Uhr ist Schweigeminute für einen Kollegen der Ende Dezember in Ruhestand gegangen wäre. Gestern abend erreichte mich die Nachricht unserer Streetworkerin, dass erneut ein junger Mann tod aufgefunden wurde hier im schönen Freudenstadt. Endlichkeit des Lebens. Erschüttert, sprachlos.

Verbunden mit der adventlichen Zeit und dem Lockdowngeschehen rund rum, bekommen existentielle Fragen Kraft und Energie: Wie leben wir, was ist der Mensch, was zählt, was bleibt? Woher kommt Hoffnung, grundsätzlich und persönlich? Ist die Welt wirklich schon fast in Ordnung, wenn trotz Corona der Vorweihnachtskonsum nicht einbricht? Ist unsere Welt wirklich in Ordnung, solange der Euro rollt?

Mein Blick fällt auf ein Konzertplakat von Jens Böttcher an der Wand hinter dem Schreibtisch. Mit ihm haben wir am Reformationstag am 31.10.2014 in der Stadtbahnhofshalle Freudenstadt ein Konzert veranstaltet während draussen die Holloween-Partygänger feierten. Jens Böttcher und sein Format schwarzweissradio begleitet mich seither.

Diese Woche nun begegnete mir sein neues Musikprojekt Haben oder Sein und beeindruckte mich. Haben oder Sein? Erich Fromm fragt: "Wer bin ich, wenn ich bin, was ich habe und dann verliere, was ich habe?" Und er antwortet: " Nichts als ein besiegter, gebrochener, erbarmenswerter Mensch, Zeugnis einer falschen Lebensweise." Hört rein.

youtube.com/watch

Haben oder Sein, diese Frage lässt sich nicht auflösen, wir alle sind Habende, eher von der Sorte, die im grossen Kontext überdurchschnittlich viel Haben. Sehr wohl ist jedoch die Frage, wie wir das Haben, Haben-Wollen bewerten, welche Rolle es eben im Lebensentwurf spielt. Auch wie wir Umgehen mit dem, was wir haben, Teil-Haben lassen. Daran erinnert auch der uralte Texte Desidirata, den ich einer Kollegin gestern ausdruckte die Geburtstag hat. Immer wieder mal gebe ich diesen alten irischen Text weiter, er atmet viel Weisheit, Kraft und Glauben.

Geh Deinen Weg ruhig mitten in Lärm und Hast und wisse, welchen Frieden die Stille schenken mag.
Steh mit allen auf gutem Fuße, wenn es geht, aber gib Dich selber nicht auf dabei.
Sage die Wahrheit immer ruhig und klar, und höre auch die anderen an, selbst die Unwissenden, Dummen - auch sie haben ihre Geschichte.
Laute und zänkische Menschen meide. Sie sind ein Plage für Dein Gemüt.
Wenn Du Dich selbst mit anderen vergleichen willst, wisse, daß Eitelkeit und Bitterkeit Dich erwarten. Denn es wird immer größere und geringere Menschen geben als Dich.

Freue Dich an Deinen Erfolgen und Plänen. Strebe wohl danach weiterzukommen, doch bleibe bescheiden. Das ist ein guter Besitz im wechselnden Glück des Lebens.
Übe Dich in Vorsicht bei Deinen Geschäften. Die Welt ist voller Tricks und Betrug. Aber werde nicht blind für das, was Dir an Tugend begegnet.
Sei Du selbst - vor allem: heuchle keine Zuneigung, wo Du sie nicht spürst. Doch denke nicht verächtlich von der Liebe, wo sie sich wieder regt. Sie erfährt so viel Entzauberung, erträgt so viel Dürre und wächst doch voller Ausdauer, immer neu, wie das Gras.

Nimm den Ratschlag Deiner Jahre mit Freundlichkeit an und gib Deine Jugend mit Anmut zurück, wenn sie endet.
Pflege die Kräfte Deines Gemütes, damit es Dich schützen kann, wenn Unglück Dich trifft, aber überfordere Dich nicht durch Wunschträume. Viele Ängste entstehen durch Enttäuschung und Verlorenheit.
Erwarte eine heilsame Selbstbeherrschung von Dir. Im Übrigen aber sei freundlich und sanft zu Dir.

Du bist ein Kind der Schöpfung, nicht weniger wie die Bäume und Sterne es sind. Du hast ein Recht darauf, hier zu sein. Und ob Du es merkst oder nicht - ohne Zweifel entfaltet sich die Schöpfung so wie sie es soll.
Lebe in Frieden mit Gott, so wie Du ihn jetzt für Dich begreifst.
Und was auch immer Deine Wünsche und Träume sind in der lärmenden Verwirrung des Lebens - halte Frieden mit Deiner eigenen Seele.

Mit all ihrem Trug, ihrer Plackerei und ihren zerronnenen Träumen - die Welt ist immer noch schön!

Desiderata (Text aus der Old St. Paul’s-Kirche, Baltimore, 1692, oder auch von Max Ehrmann 1927, je nach Geschichtsschreibung)

Bitterkalt ist es jetzt Anfang Dezember auf dem Friedhof im Nordschwarzwald. Wie etliche andere habe ich eisige Füsse. Coronabedingt stehen viele ausserhalb der Friedshofskapelle. Der Pfarrer gestaltet einen stimmigen Rahmen und findet gute Worte für die bunte Schar der Trauergäste, die den Verstorbenen kannten. Der junge Mann hatte seinen Tod selbst herbeigeführt.
Was bleibt? Auf was kommt es an im Leben? Während der Zeremonie denke ich an eine andere Begegnung die ich kürzlich hatte.

Wir besprechen gemeinsam den Auftrag, der Einbau soll vor Weihnachten erfolgen. Sein formales Renteneintrittsalter hat er schon vor vielen Jahren erreicht, arbeitet jedoch eben als Selbständiger weiter. Ich höre ihm zu und er erzählt mir ein wenig. Er beschreibt, dass er wenig Zeit für anderes hat. Während des Smalltalks an der Haustür rund um den Auftrag beschäftigen mich Fragen nach dem was ausser Arbeit noch zählt im Leben, was noch wichtig ist. Dieser Tage schreibe ich ihm dann eine Erinnerungsmail wegen des Auftrages. Er liest diese nicht mehr, tragischerweise ist er überraschend verstorben.

Wer auch immer diese Zeilen liest und jemanden loslassen muss. Beim Umgang mit dem Tod meines Vaters vor einigen Jahren hat mich dieses Lied von Johannes Falk immer wieder berührt.
youtube.com/watch

First Things First. Die wichtigsten Dinge zuerst. Das klingt sehr gut, bestens, alles klar. Jedoch, bei ehrlichen Bestandsaufnahmen in verschiedenen Lebensphasen, insbesondere in Krisen, wurde mir immer wieder schonungslos bewusst, das zwischen meiner theoretischen Liste der wichtigen Themen und meinen tatsächlichen Prioriätensetzungen deutliche Unterschiede sind. Faktische Prioritäten erkennt man sehr gut daran, wo eben Zeit, Kraft, Gedanken, Energie im Alltag hin fließt. Und andersrum, was man eben im Alltag ganz praktisch vernachlässigt. Immer wieder ist zu fragen, ob man wirklich und nachhaltig umsteuern möchte Richtung dem was einem wirklich wichtig ist. Bringt man Klarheit, Mut, Kraft auf, um die Weichen neu zu stellen? Immer wieder den Lebenskurs korrigieren und ausrichten.

Auf einer mehrtägigen Wanderung von Rottweil nach Freudenstadt vor einigen Jahren las ich das Buch von Bronnie Ware, 5 Dinge die Sterbende am meisten bereuen. Sie hat jahrelang Sterbende pflegend begleitet. Wandernd, lesend, nachsinnend hat mich die Thematik begleitet und diese 5 Aspekte die nicht abschließend sind klingen immer noch nach.

Ich wünschte,

.... ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu bleiben, statt so zu leben wie andere es von mir erwarten.
.... ich hätte nicht so viel gearbeitet.
.... ich hätte den Mut gehabt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
.... ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.
.... ich hätte mir mehr Freude gegönnt.

Hier eine Geschichte, die mich seit vielen Jahren begleitet und immer wieder inspiriert.
Ein Lehrer steht vor seiner Berufseinsteiger-Lehrlingsklasse und hat einige Gegenstände vor sich. Als der Unterricht beginnt, nimmt er wortlos ein sehr großes Gurkenglas und beginnt dieses mit Golfbällen zu füllen. Er fragt die jungen Leute, ob das Gurkenglas nun voll sei. Sie bejahen es.

Die Lehrlinge könnten auch Studenten, eine Gruppe arbeitsloser Menschen, ein Management-Seminar, ein Stammtisch oder ein Junggesellenabschied sein.

Dann nimmt der Lehrer ein Behältnis mit kleinen Kieselsteinen und schüttet diese in den Topf. Er bewegt den Topf sachte und die Kieselsteine rollten in die Leerräume zwischen den Golfbällen. Dann fragt er die jungen Frauen und Männer wiederum, ob der Topf nun voll sei. Nachdenklich sagen sie Ja.

Der Lehrer nimmt als Nächstes eine Dose mit Sand und schüttet diesen in den Topf. Natürlich füllt der Sand den kleinsten verbliebenen Freiraum. Er fragt wiederum, ob der Topf nun voll sei. Bei den Schülern rattern die Gedanken, sie sind etwas zögerlich, antworten jedoch mit Ja.

Da holt der Lehrer zwei Dosen Bier unter dem Tisch hervor und schüttet den ganzen Inhalt in den Topf und füllt somit den letzten Raum zwischen den Sandkörnern aus. Die Schüler schmunzeln echt überrascht und beeindruckt.

Nehmt dieses Gurkenglas als als Bild für euer Leben, sagt der Lehrer.

Die Golfbälle sind die wichtigen Dinge in eurem Leben, eure Familie, eure Kinder, eure Gesundheit, Eure Freunde. Und es sind die bevorzugten, ja leidenschaftlichen Aspekte eures Lebens, welche, falls in eurem Leben alles verloren ginge und nur noch diese verbleiben würden, euer Leben trotzdem noch ausgefüllt wäre.

Die Kieselsteine symbolisieren die anderen Dinge im Leben wie Arbeit, Haus, Auto. Der Sand ist alles andere, die Kleinigkeiten. Falls ihr den Sand zuerst in den Topf gebt, hat es weder Platz für die Kieselsteine noch für die Golfbälle. Dasselbe gilt für euer Leben.

Wenn ihr all eure Zeit und Energie in Kleinigkeiten investiert, werdet ihr nie Platz haben für die wichtigen Dinge.
Achtet auf die Dinge, welche euer Glück gefährden.
Spielt mit den Kindern. Nehmt euch Zeit für eine medizinische Untersuchung. Führt euren Partner zum Essen aus. Es wird immer noch Zeit bleiben, um das Haus zu reinigen oder Pflichten zu erledigen.
Achtet zuerst auf die Golfbälle, die Dinge, die wirklich wichtig sind. Setzt eure Prioritäten. Der Rest ist nur Sand.

Im Aufwachen kommen mir seine kurzen Worte in den Sinn. Die Hände in den Hosentaschen, in Ourdoorklamotten gepackt, knickfeste Stiefel an. Er hat lange ins Weite geschaut, Richtung Rheintal, die Vogesen im Hintergrund. Blauer Himmel überm Wolkenmeer, die Windfahne pendelt im Wind. Zwei haben es versucht, man sieht die Gleitschirme im Tal verschwinden. Keine Thermik, kein Aufwind.
"Das ist heute nicht der Tag". Ein Satz aus der Tiefe seines Erfahrungswissens. Er wird heute nicht fliegen. Alles ist da, die Schirme liegen bereit, aber sie werden nicht fliegen, werden wieder einpacken. Das ist heute nicht der Tag.

Etwas nicht tun. Das ist häufig ganz schön viel. Darauf verzichten etwas zu tun. Die Zeichen der Zeit wahrnehmen, erkennen, kompetente Schlüsse darauf ziehen. Der erfahrene Gleitschirmflieger fliegt heute nicht, weil es trotz - für den Laien - bestem Wetter halt nicht passt.
Was könnte alles verhindert werden, wenn ich mich trauen würde, Dinge zu lassen, weil meine Intuition, mein Erfahrungswissen Nein sagt oder mich still warnt.

Während ich so an dem Gedanken rumdenke, draussen ist nebligkalteErsteAdventStimmung, kommen mir ein paar Aha-Gedanken zum Thema.
Einfach nichts tun. Ich denke an so manche Mail, die besser ungeschrieben geblieben wäre. Und an manchen Twitter-Post im grossen Weltgeschehen, die mal besser in der Tastatur versandet wären. Wie viele Worte und Sätze wären am Besten ungesagt geblieben? Nichts ist ungeschehen zu machen. Jedoch, man kann aus diesen Erkenntnissen lernen für jetzt, nachher, morgen.

Mittwochabend dieser Woche. Der massive Schrank vom Sperrmüll der vor dem Haus steht sollte noch "kurz" in den Keller in den Keller, klar. Machen wir "geschwind". Beim Runtergehen warnt mich noch mein Erfahrungswissen, dass es ungünstig ist, die Aktion mit Hausschlappen zu machen, wegen Stolpern, schlechtem Halt,....wie wärs mit festen Schuhen? Denk an Murpys Gesetz, "was schief gehen kann geht schief". Ich bringe die innere Stimme kurzerhand zum Schweigen.
Es ist übrigens auch dunkel, ich sehe wenig. Aber was solls, ich kenne mich aus vor dem Haus. Solange meine Frau die Schranktüren reinträgt, stelle ich den Schrank mal probeweise auf die Sackkarre, hochkant, kippe testweise an. Blöd, dass die Karre etwas schräg auf dem Schachtdeckel steht,.... Dass ich den kippenden Schrank mit meinem linken Fuss abfangen möchte, ist pure Selbstüberschätzung. Dass die Kante des Schrankes direkt auf meinem Fuss landet, .... Murphys Gesetz bestätigt sich und ich bin heilfroh, dass ich meinen Fuss zwar die nächsten Tage nur deutlichst spüre aber nichts gebrochen ist.

Freitag dieser Woche. Ein Telefonat zu einer Personalentscheidung. Mein Erfahrungswissen sagt mir, lass die Finger davon. Ich eier nicht rum. In der Deutlichkeit gebe ich meine Einschätzung dann auch dem Entscheider weiter, der mich nach meiner Meinung fragt. Ein klares Nein kann auch hilfreich sein, etwas schlicht nicht tun. Wie oft leidet man lange an Entscheidungen, weil man eben ja gesagt hat, in der Hoffnung, dass sich das schon zurecht rüttelt, sich schon noch entwickelt. Obwohl der Bauch gesagt hat, lass es, lass die Finger davon. Faule Kompromisse taugen meist nichts.

Bei meiner Gedankenreise bin ich heute morgen noch bei Ina Müller vorbeigekommen, und ich habe an den Schellfischposten, Hamburgs älteste Seemannskneipe im Hamburger Westen gedacht, den wir letztes Jahr besucht haben. Sie singt in ihrem Song "Ich halt die Luft an" auf ihrem neuen Album 55 die Liedzeile "Wenn einem die grosse weite Welt plötzlich auf die Füsse fällt". Nicht nur der Schrank, der einem auf die Füsse fällt. In der Tat kann einem manchmal sehr viel mehr auf die Füsse fallen, was man so angezettelt hat. Also besser mal nichts tun und Ina Müller hören.

https://www.facebook.com/inasnacht/videos/645988586070036

Achja, und dann ist ja heute 1. Advent, der Gottesdienst fällt coronabedingt aus. Zeit der Wartens. Klar es gibt x StreamingGottesdienste im Netz. Ich denke daran, dass sich die Geburt Jesu vor gut 2000 Jahren ganz analog und doch weltverändernd angekündigt hat "als die Zeit reif war", als der Kairos, der göttliche Zeitpunkt gekommen war. Gott redete zu den Hirten auf dem Feld, draussen. Die Zeit war reif und die Welt veränderte sich. Einfach nichts tun? Spazieren gehen durch den frostigen Nebelmorgen. Vielleicht ist weniger mehr.
Ruhe ist unsere Rettung. Stell dir vor du tust nichts und die Welt dreht sich weiter. Tomas Sjödin

Advent ist eine Zeit des Wartens. Das Wesentliche im Leben kann man sich nicht selbst geben, kann man sich nicht einfach nehmen, oder es kaufen. Das Wesentliche im Leben ist Geschenk. Ein alter Adventstext formuliert es so: Siehe dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer (Bibel, Altes Testament, Sacharja 9,9b). Da warte ich doch gerne und tue nichts.

Mein Rat ist es daher, nichts zu forcieren und alle unproduktiven Tage und Stunden lieber zu vertändeln und zu verschlafen, als in solchen Tagen etwas machen zu wollen, woran man später keine Freude hat.
Johann Wolfgang von Goethe

Guten Morgen Baden-Württemberg höre ich die SWR1-Stimme während ich jetzt schreibe. Udo Lindenberg begrüsst den Tag musikalisch und macht sein Ding.

Ich habe noch eine ganz andere Stimme aus der Woche im Ohr. "Entspannen, ganz locker machen, nicht verkrampfen, ihre Zunge ist so breit, bitte Kopf etwas zu mir, gehts?" Das Ganze mit Absaugschlauch im Unterkiefer hängend, mit dem kleinen Schleifgerät, das von Zahn zu Zahn gleitet, im Mund. Dieses Gerät hör-spür-fühle ich, wie es meinem Zahnstein den Garaus macht. "Gehts?" "Haaäähj.." nuschle ich akzentfrei durch die Gesichtsabdeckmaske. Was wäre überhaupt wenns nicht ginge?
Meine Gedanken in dieser jährlichen Stunde professioneller Zahnreinigung sind meist ähnlich. Ich kultiviere meine innere Vision. In ca. 1 Stunde werde ich aus dem Stuhl aufstehen, meine Jacke von der Garderobe nehmen und die Praxis verlassen. Ich gehe das Treppenhaus runter, fahre währenddessen mit der Zunge an blitzend weisen Zähnen entlang und ich atme tief aus.

Die Entscheidung zur Reinigung ist früher gefallen. Ich habe irgendwann akzeptiert, dass das Ganze einmal pro Jahr wohl sinnvoll ist und Zahnschäden vorbeugt. Also mach ichs eben in meiner Jahresroutine, auch wenn es beileibe nicht mein Lieblingstermin ist.
Die Absauggeräusche lenken mich ab und ich sehe, dass die Brille der medinischen Mitarbeiterin zunehmend verspritzt aussieht. Hat sie noch den Durchblick?
Achja, jedenfalls denke ich dieses Mal während der Reinigung über das Thema Entscheidungen nach, grosse und kleine. Warum bin ich hier mit offenem Mund? Weil ichs entschieden und umgesetzt habe. Gelingendes Leben sei die Summe guter Entscheidungen, so habe ich einen Freund im Ohr. Gute Ziele formulieren, sich entscheiden und dann auch konkret an die Umsetzung gehen. Tatsächlich nicht nur daran denken was anders zu machen, sondern auch handeln.

Entscheidungen treffen ist zentral wichtig im Leben. Nicht im Bereich des Möglichen schweben, sondern konkret werden. Und wenn die Entscheidung klar ist, die Ampel auf grün stellen und losgehen. Nicht nur umdenken sondern eben wirklich umhandeln. Machen ist wie wollen nur halt geiler, so hat es jemand vor Kurzem bei einem Männerforum ausgedrückt. Töte den Konjunktiv, aus sollen, wollen wird machen, aus vielleicht, irgendwann wird jetzt.
Niemand kann für mich entscheiden, niemand kann für mich gehen, niemand kann für mich die Konsequenzen tragen. Die Entscheidung liegt bei mir. Der Preis der Freiheit.

Zahnreinigung ja oder nein, vielleicht tatsächlich ein Nebenthema, aber als Symbol doch irgendwie hilfreich. Wie will ich leben? Was mache ich mit beruflichem Veränderungswunsch? Soll ich noch mal studieren? Kämpfe ich um meine Partnerschaft, meine Ehe? Gehe ich den Umzug nun an? Wie komme ich aus der Arbeitslosigkeit raus? Schulden oder Sucht die drücken und das Leben blockieren. Möchte ich wirklich Veränderung? Beziehungen die nach Veränderung schreien. Arbeit begrenzen die beständig mein Privatleben auffrisst. Unbefriedigende Arbeitssituation. Desorganisation die mir Energie raubt. Körpergewicht dass mir Lebensfreude nimmt. Destruktive Verhaltensmuster die mein Leben bestimmen.
Wo habe ich vielleicht sogar richtig Druck aus meinen Innenleben oder auch von wichtigen Menschen, meinem Umfeld, endlich mal Veränderungen anzugehen?

Das Alt-Gewohnte bietet durchaus oft auch Gewinn. Das Alt-Gewohnte ist zwar in vielem beschissen, aber ich weiß wenigsten was ich (nicht) habe.
Es gibt tatsächlich so etwas wie Krankheitsgewinn und sogar auch Knastsehnsucht bei Langzeithäftlingen, da weiß ich wenigstens wo ich dran bin. Manchmal ist ein eingeschränktes, unfreies Leben attraktiver und gibt mir mehr, als konkrete Schritte Richtung Lebensqualität und Freiheit zu gehen.
Nicht umsonst fragt Jesus bisweilen die Leute, auch die Kranken, was willst du denn was geschehen soll? Das ist nicht nur Rhetorik. Auch Gesundung und Freiheit muss gewollt werden, und dieser Wunsch ist nicht selbstverständlich.

Bei mir hat die Stunde Zahnreinigung meinen Zähnen was gebracht und mein Denken angestossen. Der Kopf ist rund, man kann umdenken. Immer wieder UmDenken und UmHandeln, die Würde eines freien Lebens annehmen und leben.

Morgens und Abends auf meinem Weg bleibe ich stehen und sehe dem Baggerfahrer zu.
Ich bin nicht alleine, immer steht jemand am Bauzaun. Väter, Mütter mit ihren Kindern, Erwachsene. Die Abrißbaustelle hat ihren Reiz.

Auch wehmütige Stimmen gibt es, weil die fast schon legendäre Pension Marie-Luise weichen muss. Sie hat ihre Geschichte und hat Geschichten erlebt. Niemand fand sich, der dem alten Gebäude zu wirtschaftlich und baulich machbaren Bedingungen neues Leben geben wollte und konnte. Mit jedem Tag mehr werden sich weniger Menschen an die Pension erinnern.

Der Lauf der Dinge ist bisweilen auch so, Altes weicht, Neues entsteht. Werden und Vergehen. Das passt zum November, zu diesem Stillen Monat. Vom Kirchenjahr her gilt er als Zeit der Besinnung.
Zeit, über das Leben nachzudenken. Werden und Vergehen, der Wechsel der Jahreszeiten. Buße und Neuanfang gehören zu dieser Zeit.
Dieser November 2020 ist etwas Besonderes. Für uns alle bedeutet dieser stille Monat einen teilweisen Lockdown, ein Zurückfahren zahlreicher gesellschaftlicher Bereiche und Begegnungen als Maßnahme zur Pandemiebekämpfung. Was wird die nächsten Wochen? Es ist irgendwie eine Zeit des Loslassen.
An Stelle der "losgelassenen" Pension wird ein neues Gebäude entstehen.
Altes weicht, Neues entsteht. Manches Ende ist auch sehr segensreich und wird herbeigesehnt. Gut, dass auch im Sinne grosser politischer Änderungen dieser November ein Monat des Loslassens ist. Nichts ist endlos, der Wandel ist sozusagen eine beständige Konstante. Krampfhaftes Festhalten ist erfolglos. In der alten Pension harrt niemand auf dem Balkon aus. DIe Zeichen der Zeit erkennen. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

Nicht ein Mal habe ich das Gesicht des Baggerfahrers in diesen Tagen gesehen, zu tief sitzt er in seiner Kabine. Jedoch nehme ich wahr, was er von Tag zu Tag bewirkt mit seinem Bagger. Den Baggerarm mit der beweglichen Schaufel bewegt er wie andere Messer und Gabel.
Nein, er reißt die alte Pension nicht ab, er fillettiert sie geradezu. Fast zärtlich kommt es mir manchmal vor, wie er die Bestandteile der Pension abbaut, zerlegt, sortiert, ordnet. Ein Profi am Werk. Tag für Tag, mit konstanter Dynamik.

Er hat ein kleines Team um sich. Mit der Baggerschaufel sotiert er Holzbalken, Fassadenteile, Mauerwerk, Metall. Auf dem Gelände wachsen die Materialberge, sauber sortiert. Das Team drum rum arbeitet feinteilig mit Kleinwerkzeug und mit der Hand nach, wässert damit es nicht so staubt. Ein gelassenes wachsames konstantes Geschehen.

Es beeindruckt mich wieder, Profis am Werk zu sehen. Menschen die wissen, was sie tun und die als Team wie ein geschmiertes Räderwerk zusammenwirken. Stark.
Alles scheint gut organisiert zu sein. Sauber abgesperrt, Arbeitssicherheit und die Sicherheit der Zaun-Gäste ist gewährleistet.

Gut dass es den Baggerfahrer und sein Team gibt. Dass sie ihre Arbeit gut machen. Das Leben, diese Stadt braucht so viele unterschiedliche Menschen und Kompetenzen. Ich empfinde Wertschätzung für diese Truppe. Auch für den Vater am Bauzaun, der seinem Sohn die Baustelle zeigt und vom Bagger erzählt.
Mit offener Wahrnehmung sehe ich beim Weitergehen die Müllentsorger von Remondis im LKW. Auch die Physiotherapeutin und die Ärztin, die im Gebäude neben mir arbeiten. Und die Truppe von der Stadtgärtnerei die vorbeifahren und das Erzieherteam im Kindergarten. Bunte Vielfalt eben. Alles wirkt zusammen.

Bevor ich ins Büro gehe, noch ein stiller Segenswunsch an die Menschen vor und hinter dem Bauzaun. Kommt alle gut durch diesen November.

Es ist eine göttliche Gnade, gut zu beginnen. Es ist eine größere Gnade, auf dem Weg zu bleiben und den Rhythmus nicht zu verlieren. Die Gnade aller Gnaden ist es aber, auch zerbrochen und erschöpft vorwärts zu gehen bis zum Ziel.
Dom Helder Camara.
Aus einem Gästebucheintrag am InfoPunkt Stadtbahnhof, Zitat des ehemaligen brasilianischen Erzbischofs.

Manchmal hüllt eine grandiose Sonnenstimmung die Landschaft ein. Bisweilen taucht Regen und Nebel den Schwarzwald in graues Nass. Der November ist ein Stiller Monat. Vom Kirchenjahr her gilt er als Zeit der Besinnung. Zeit, über das Leben nachzudenken, Werden und Vergehen, der Wechsel der Jahreszeiten, Buße und Neuanfang gehören zu dieser Zeit. Vielleicht auch eine gute Zeit um ein Stück weit leer zu werden.

Dieser November 2020 ist etwas Besonderes. Für uns alle bedeutet dieser stille Monat einen teilweisen Lockdown, ein Zurückfahren zahlreicher gesellschaftlichen Bereiche, Begegnungen, Freizeit und Kultur als Maßnahme zur Pandemiebekämpfung.

Wir waren dieser Tage im preisgekrönten Freudenstädter Programmkino Subiaco beim Toggenburger Musiker Peter Roth und dem Zauberklang der Dinge. Peter Roth, der normalerweise mit seiner Musik grosse Säle füllt, was aktuell nicht möglich ist, nannte im Interview spontan seinen Weg mit der Krise umzugehen. Nämlich das tun, was jetzt eben auch in dieser Zeit möglich ist. Und das loslassen was jetzt grad nicht möglich ist. Er dreht inzwischen als 75jähriger mit dem Filmemacher Sebastian Heinzel Youtube-Videos und erreicht mit seiner Musik und seinen Anliegen mehr Menschen als je zuvor. Diese tätige Haltung hat für ihn eine starke innovative Dynamik in seinem Schaffen begünstigt.
Zu diesem Monat November passt für mich Peter Roths Youtube-Folge 4 "Out of Controll". Peter Roth formuliert dass er manchmal denkt, Unglück ist einfach die Differenz zwischen Vorstellung und dem was passiert. Leere deine Wünsche aus, dann bist du glücklich. Das tönt eigentlich banal aber ist tief wahr. Loslassen, leer werden.

youtube.com/watch

Die Gedanken von Peter Roth erinnern mich an einen Satz von Dietrich Bonhoeffer aus der Krisenzeit des 3. Reichs. Das Notwendige tun, nicht im Bereich des Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen. Sich dem Wirklichen, der Wirklichkeit stellen, das ist immer wieder eine Herausforderung.

Tja, was tun mit dem November-Blues, wenn das Wetter nicht schmeckt, und dann auch noch die Verhältnisse anders sind als erwartet? Klagen, jammern, resignieren?
Wie wärs mit bewusstem Loslassen, Runterfahren, Musse pflegen, gutes Altes pflegen, Neues zulassen? Oder sich mal die Sache von oben anschauen und auf einen Baum sitzen wie Agonis im Bärenpark Schwarzwald?

Im Hier und Jetzt leben, diesen November leben und geniessen wie er dieses Jahr ist, mit dem Wetter in aller Vielfalt, Farben, Stimmungen, Formen, mit allen Herausforderungen und Begrenzungen. Nichts tun, Beziehungen pflegen über Telefon, Skype, Briefe schreiben,.....Musik machen, Keller aufräumen, Wandern, Pilze suchen, Lesen, zum Fenster raus schauen....
Ich wünsche gute Zeiten jetzt im November, für Körper und Seele.
November-Blues? ist auch Musik.
Zum Beispiel unterwegs aufgeschnappt Musik per Handivideo aus dem Kölner Dom oder auch mal was Verrücktes tun und einfach mal abheben

Mit 31 Rosen in der Hand bestelle ich mein gefülltes Fladenbrot. Smalltalk mit dem gesprächigen Türken im Dönerstand. Er findet das ganz toll, Rosen zum Hochzeitstag. Man müsse was tun für die Ehe. Und er meinte, dass die Bereitschaft an einer Beziehung zu arbeiten, nicht sehr ausgeprägt sei. Jedoch, man müsse eben immer wieder die Steine aus dem Weg räumen. Dazu müsse man bereit sein.

Steine aus dem Weg räumen, dieser Satz, dieses Bild blieb bei mir hängen. Im Coaching arbeiten wir mit dem Begriff der Stolpersteine. Was versperrt mir meinem Weg, was hindert mich vorwärts zu kommen auf dem Weg zu meinen Zielen? In Beziehungen, im Umgang mit mir selbst, im beruflichen Kontext. Es lohnt sich, genau hinzuschauen, inne zu halten und wahrzunehmen, was mir und anderen das Leben schwer macht. Manche Stolpersteine behindern nachhaltig, wenn wir sie nicht irgendwann angehen, zerkleinern, beiseite schaffen.

Es ist manchmal geradezu befreiend Ballast zu entsorgen. Heute habe ich mit meiner Frau unsere Werkstatt aufgeräumt, gemeinsam gings eigentlich ganz leicht. Mann o Mann - wie oft habe ich daran gedacht, dass ich das mal angehen sollte und habs geschoben und geschoben, Leben im Konjunktiv halt. Wenn jemand in die Werkstatt reingeschaut hat, war das eher peinlich. Nun wars eine Aktion von ein paar Stunden, es ist wieder Überblick und Ordnung im Ganzen. Und ich habe Lust was drin zu werkeln.
Jetzt kurz vor dem Wochenende noch alles Entsorgen, in den Mülltonnen und auf der Deponie, ein erhebendes Gefühl, alte Farben, Metall, Sperrmüll, und gleich noch Grünzeug das rumliegt. Als ich hoch oben auf der Deponie stehe, die sich nun nach Jahrzehnten Betrieb über die Baumwipfel erhebt und ich ins Murgtal schaue, denke ich über den jahrelang gewachsenen Müllberg auf der Deponie nach.

Stolpersteine, Ballast, Müll, Dinge die uns das Leben schwer machen, die uns lähmen und behindern, gehören zum Leben. Aber es ist möglich, damit umzugehen, sich zu stellen, hinzuschauen und aktiv zu werden. Lasten abschütteln und entsorgen. Nicht alles schaffen wir allein, oft brauchen wir Hilfe und Unterstützung.

Steine aus dem Weg räumen, danke lieber türkischer Freund vom Dönerstand. Mir ist diese Bemerkzung zu einem kraftvollen Bild geworden. Es inspiriert mich, dran zu bleiben, immer wieder den Weg frei zu machen, auch mit Hilfe und Unterstützung und Stopersteine weg zu räumen. Weniger Leben im Konjunktiv, mehr im Handeln. Machen ist wie wollen nur geiler. Ich wünsche gute Begegnungen. https://www.facebook.com/wolfgang.gunther.35/videos/1599597023471587

Jedes Ereignis, alles auf der Welt hat seine Zeit. Geboren werden und Sterben, Pflanzen und Ausreissen, Niederreissen und Aufbauen, Weinen und Lachen, Klagen und Lachen, Reden und Schweigen, Umarmen und Loslassen, ......Nähe und Distanz, Säen und Ernten.
Jedes Ereignis, alles auf der Welt hat seine Zeit. Das lehren uns auch die Jahreszeiten, jetzt ist Herbst, Zeit der Sonnenblumen, Kürbisse und Pilze. Jetzt sollten wir den Herbst, Sonnenblumen, Kürbisse und Pilze geniessen und damit umgehen, dann wenn es an der Zeit ist.

Es gibt den Kairos, den günstigen, den göttlichen, Zeitpunkt für ein Vorhaben, einen Gedanken, eine Entscheidung. Wenn man erlebt, dass die Zeit für etwas gekommen ist, dass die Zeit reif ist, gehen die Dinge manchmal fast von selbst. Eine gute Idee deren Zeit gekommen ist, entwickelt eine ganz starke Energie und Kraft.

Wer dagegen zum ungünstigen Zeitpunkt etwas erzwingen möchte, verbraucht seine Energie wahrscheinlich mit mässigem Erfolg. Darin besser zu werden, die Zeit zu lesen ist eine Frage der Lebensklugheit und des Erfahrungswissen. Reflektion und Musse sind Schlüssel dazu.
Manchmal ist es besser nichts zu tun, als Dinge zum falschen Zeitpunkt anzupacken.

Mein Rat ist es daher, nichts zu forcieren und alle unproduktiven Tage und Stunden lieber zu vertändeln und zu verschlafen, als in solchen Tagen etwas machen zu wollen, woran man später keine Freude hat. (Johann Wolfgang von Goethe)

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

https://www.facebook.com/wolfgang.gunther.35/videos/2124533150977969